Wie wir erinnern – Memotechniken

von Didem Dogan

Wer kennt das nicht? Gerade hat sich jemand vorgestellt. Doch der Name ist sofort wieder vergessen. Die Information wird nur für wenige Sekunden im Kurzzeitgedächtnis gespeichert. Erst wenn der Kontakt mit dieser Person zunimmt oder der Name häufiger erwähnt wird, bleibt er im Gedächtnis haften. Wenn aber ein alter Schulfreund von der unvergesslichen Klassenfahrt aus dem Jahr 2013 erzählt, dann wird man sich eher an dieses Ereignis erinnern – es ist ja wie gesagt unvergesslich. In diesem Fall wurde die Information über Jahre hinweg im Langzeitgedächtnis gespeichert.
Aber warum? Wie das Gehirn Informationen speichert und abruft, soll nachfolgend erklärt werden.

WAS IST EINE ERINNERUNG?
Eine Erinnerung ist das subjektive Erleben eines Menschen, das im Gehirn gespeichert wird. Dabei werden verschiedene Eindrücke wie Farben, Formen oder Geräusche aufgenommen. Biologisch gesehen ist eine Erinnerung ein in Nervenzellverbänden gespeicherter Impuls.
Physiologische Reize erzeugen im Gehirn dauerhafte strukturelle Veränderungen, vereinfacht gesagt Gedächtnisspuren (=Engramme). In ihrer Gesamtheit bilden die Engramme schließlich das individuelle Gedächtnis eines Menschen, wobei jede Erinnerung aus verschiedenen Teilen (Nervenzellmustern) besteht. Um eine Erinnerung abzurufen, müssen genügend Neuronen aktiviert werden, die Teile des Musters repräsentieren und diese zu einem Ganzen zusammenfügen.

NEURONALE INFORMATIONSÜBERTRAGUNG
Die Aktivierung der Nervenzellen erfolgt durch neuronales Feuern. Dabei erhält die Präsynapse einen elektrischen Impuls, der durch die Freisetzung chemischer Botenstoffe in einen chemischen Impuls übersetzt wird. Konkret bedeutet dies, dass Kalziumionen in die Präsynapse einströmen. Dort werden aus Vesikeln Botenstoffe wie Glutamat freigesetzt, die über den synaptischen Spalt zur Postsynapse gelangen und dort an Glutamatrezeptoren binden. Dadurch öffnen sich die Ionenkanäle, so dass Natrium in die nächste Zelle einströmen kann. Der chemische Impuls wird wieder in ein elektrisches Signal, das Aktionspotenzial, umgewandelt. Dieses wird über das Axon direkt zur nächsten Synapse weitergeleitet.

ERINNERN DURCH DIE LANGZEITPOTENZIERUNG
Normalerweise wird nicht jeder eintreffende Impuls an den Synapsen weitergeleitet.
Je öfter aber das Gespeicherte abgerufen wird, desto höher wird die Frequenz der an der Präsynapse ankommenden Aktionspotentiale. Nach einiger Zeit stellt sich der Mechanismus der Langzeitpotenzierung ein. Das bedeutet, dass die Übertragungsstärke einer Synapse auf Dauer größer ist und eine stärkere Reaktion der Postsynapse hervorgerufen wird. Die Art und Anzahl der Rezeptoren spielen dabei eine entscheidende Rolle. AMPA-Rezeptoren sind eine von zwei Arten von Glutamatrezeptoren an der postsynaptischen Membran, durch die Natriumionen in die Zelle einströmen können. Sobald die Frequenz hoch genug ist, werden zusätzlich NMDA-Rezeptoren aktiviert. Erst dann können Natrium- und Kalziumionen in die Zelle einströmen und verschiedene intrazelluläre Prozesse in die Wege leiten. Der Impuls wird in der nächsten Zelle verstärkt.

AKTIVES ERINNERN ZUM LERNEN
Dieser Mechanismus zeigt sich vor allem beim Lernen. Je öfter etwas wiederholt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der gesamte Zellverband reagiert und die Erinnerung besser abgerufen wird.
Der Prozess des aktiven Erinnerns kann durch geeignete Lerntechniken unterstützt werden. Wichtig für die Gedächtnisleistung ist die Anzahl der Verknüpfungen, die zu einem bestimmten Stichwort hergestellt werden können. Wie bereits zu Beginn erwähnt wird, ist das Erinnerungsvermögen multimedial. Das bedeutet, zu einem Stichwort können alle Sinne miteinbezogen werden. Je mehr Möglichkeiten das Gehirn hat, die gesuchte Erinnerung zu rekonstruieren, desto leichter und schneller kann die Information abgerufen werden.
Im Folgenden werden drei Memotechniken vorgestellt, die das Einprägen von Begriffen durch multimediale Verknüpfungen erleichtern.

LOCI / ROUTEN METHODE
Bei der Loci-Methode werden mehrere Dinge, z.B. eine Einkaufsliste, in einer bestimmten Reihenfolge eingeprägt. Als Grundlage für diese Methode dient ein bekannter, überschaubarer Weg, z.B. der Weg zur Universität. Auf diesem Weg werden nun gedankliche Ankerpunkte bzw. Haltestellen festgelegt. Nun werden Bilder an diesen Haltepunkten platziert. Diese müssen auf jeden Fall einprägsam sein, indem sie z. B. skurril sind.

EIN BEISPIEL
Die zu prägende Einkaufsliste besteht aus Butter, Toilettenpapier, Eier und Bananen.
1. An der Ampel gegenüber der Haustür streichen Maler das grüne Licht mit der Butter an, so dass es gelb erscheint und die Autos nicht mehr wissen, ob sie fahren dürfen oder nicht.

2. An der Kreuzung legen Fußgänger gestreiftes Toilettenpapier als Zebrastreifen aus, um ihren Vorrang gegenüber den Autos zu markieren.

3. Vor dem Supermarkt bewerfen sich die Rentner mit rohen Eiern.

4. Auf dem Radweg werfen wütende Autofahrer mit Bananenschalen.

KÖRPERLISTE
Die Loci-Technik kann auch auf den Körper angewendet werden, so dass die Ankerpunkte Körperteile sind. Jedem Körperteil wird dann ein Begriff zugeordnet. Die Körperteile wären z.B.: Haare, Gesicht, Hals, Schultern, Brust, Bauch, Oberschenkel, Knie und Füße.

ZAHLFORM-SYSTEM (Pegword System)
Die Grundlage dieser Methode sind Zahlen. Ziel ist es, sich diese in einer bestimmten Reihenfolge einzuprägen.
Zunächst wird zu jeder Zahl ein Symbolbild ausgewählt und eingeprägt. Das Bild wird so gewählt, dass es durch seine Form einen einprägsamen Bezug zur Zahl hat. Anschließend werden Verbindungen zwischen dem Bild und den zu lernenden Wörtern hergestellt.

EIN BEISPIEL
10 Aspekte einer guten Führungskraft

1. Stift
Ist glaubwürdig
→ Unterschreiben eines Vertrages

2. Schwan
Bleibt sich selbst treu
→ Schwanenpaare bleiben sich treu

3. Dreirad
Ist konsequent
→ Ein quengelndes Kind auf dem Dreirad will ein Eis, aber die Mutter bleibt standhaft und sagt nein

4. Stuhl
Begegnet den Mitarbeitern auf Augenhöhe
→ Der Vorgesetzte nimmt sich einen Stuhl und setzt sich dem Mitarbeiter gegenüber

5. Finger
Kann eigene Fehler zugeben
→ Der Vorgesetzte hebt die Hand und entschuldigt sich

6. Elefant
Kann die Fehler anderer konstruktiv in Verbesserungen umsetzen
→ Eine Elefantenmutter schützt ihr Junges vor Fehlern, indem sie ihm zeigt, wie es sich besser verstecken kann

7. Fahne
Hat den Mut, notwendige Entscheidungen zu treffen
→ Der Linienrichter hebt bei einem entscheidenden Tor die Abseitsfahne

8. Sanduhr
Hört seinen Mitarbeitern zu
→ Der Vorgesetzte gibt dem Mitarbeiter 1 Minute Zeit zum Reden und dreht die Sanduhr

9. Trillerpfeife
Hat Humor
→ Der Vorgesetzte stiehlt den spielenden Kindern die Geburtstagspfeifen

10. Billard Queue mit Kugel
Hält sich selbst an die Regeln, die er seinen Mitarbeitern vorgibt
→ Jeder Spieler muss sich beim Billard an die gleichen Regeln halten

FUN – FACT
Obwohl oft von Memotechniken die Rede ist, lautet der korrekte Begriff Mneomotechniken. Er stammt aus dem Altgriechischen (μνήμη mnḗmē für Gedächtnis oder Erinnerung). Die Göttin des Gedächtnisses ist Mnemosyne aus der griechischen Mythologie.

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