Viele Menschen sind Schätze – das sagt zumindest die Statistik der beliebtesten Kosenamen

Zwischen dem Satz »Sabine, kommst du mal?« und dem Satz »Schatz, kommst du mal?« gibt es einen feinen Unterschied.

Von Markus Lindlar

Der erste Satz kann von jedem verwendet werden, der Sabine kennt und mit ihr eine ansatzweise persönliche Verbindung hat, die ein Ansprechen mit dem Vornamen zulässt. Die zweite Variante allerdings ist einem exklusiven Kreis vorbehalten, meist ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin und vielleicht noch den Eltern oder sehr guten Freund*innen. Immer aber Menschen, mit denen sie in einem sehr engen, emotionalen Verhältnis steht.

Alle Menschen tragen Namen, besondere Menschen verdienen Kosenamen. Kosenamen sind unmittelbarer Ausdruck einer emotionalen Beziehung zwischen zwei Personen. Allseits beliebt ist die Bezeichnung »Schatz« für den Partner oder die Partnerin mit Abwandlungen wie »Schatzi” oder »Schätzchen”. Je nach Studie verwenden zwischen 30 und 50 Prozent der Deutschen diesen in ihrer Beziehung. Das ist nicht erst heute so, sondern schon seit mehreren hundert Jahren, bleibt aber nach wie vor aktuell. Es gibt auch Kosenamen mit noch längerer Tradition: In der Antike war »Taube« ein weit verbreiteter erotischer Kosename für die Geliebte, da Tauben als heilige Tiere der Aphrodite galten.

Kosenamen verbinden und symbolisieren Zusammengehörigkeit, sowohl zwischen denen, die sie nutzen, als auch nach außen. So zeigt man anderen gegenüber, dass man in einem besonderen Verhältnis zueinander steht. Männer und Frauen verhalten sich bei der Verwendung von Kosenamen sehr ähnlich, allerdings scheint es Männern oftmals peinlicher als Frauen, mit dem Kosenamen in der Öffentlichkeit angesprochen zu werden. Dies mag daran liegen, dass hier eben Emotionen den geschützten Rahmen verlassen, was Männern wohl immer noch schwerer zu fallen scheint.

Kosenamen gibt es in unterschiedlichsten Ausführungen und Kategorien. Viele verwenden Tiere wie »Hase«, »Bärchen« oder »Schmetterling«. Beliebt sind auch fremdsprachliche Übersetzungen des Begriffes »Liebling« wie »Habibi«, »Darling« oder »Cherie«. Es gibt aber auch sehr individuelle Bezeichnungen wie »Ringelriemchen« oder »Popolinski« und einfach Niedliches wie »Muckele« oder »Fussel«. Oftmals wird auch der Vorname verniedlicht, aus Thorsten wird dann »Teddy”, aus Sabine »Bienchen”.

Auffällige Unterschiede bei der Nutzung gibt es im Generationenvergleich, wie eine Befragung aus dem Jahr 2005 von Infratest mit rund 1000 Teilnehmer*innen zeigte: Je älter die Befragten sind, desto variantenreicher sind die Bezeichnungen. Jüngere sind wenig einfallsreich, »begnügen« sich mit den gängigen Kosenamen: Über die Hälfte der unter 30-Jährigen nennen ihre Partner*innen schlicht »Schatz« oder »Schatzi«. Bildung hat ebenfalls einen Einfluss: Mit zunehmendem Bildungsstand nimmt die Verwendung der Schatz-Varianten ab. Bei Schüler*innen ist der Wert sehr hoch und sinkt bei Akademiker*innen stark ab. Das Einkommen scheint bei der Verwendung von Kosenamen aber keinen Einfluss zu haben. In größeren Städten sind die Kosenamen differenzierter, wahrscheinlich aufgrund von vielen verschiedenen Lebensstilen und Persönlichkeiten. In ländlich strukturierten Gemeinden dominieren eher die Schatz-Varianten.

Aber warum werden Kosenamen überhaupt verwendet? Auf jeden Fall kann man davon ausgehen, dass es sich bei der Verwendung eines besonderen Namens in intimen Beziehungen um eine erlernte Verhaltensweise handelt. Im Laufe des Lebens kommt der Mensch überall in Berührung mit Kosenamen, von der frühen Kindheit bis ins hohe Alter. Erst sind wir „Häschen”, dann „Schätzchen”, schließlich „Opilein”. Natürlich bleiben wir auch immer Christian oder Paula, aber im Gegensatz zum Kosenamen ist der Vorname eher unpersönlich und kann von allen genutzt werden, ist eben nicht exklusiv und emotional aufgeladen. Sprachlich kann man den Begriff auf „kosen“ beziehungsweise „liebkosen“ zurückführen, die persönliche Ansprache mit einem exklusiven Namen ist also eine verbale Liebkosung, eine sprachliche Zärtlichkeit.

Dies ist auch der entscheidende Unterschied zu Spitznamen. Diese müssen nicht in engen Bindungen in Erscheinung treten, sondern können auch unter Bekannten, Nachbar*innen oder Arbeitskolleg*innen verwendet werden. Sie können positiv und freundschaftlich sein, aber auch neckend oder gar beleidigend. Dann weiß eine Person vielleicht gar nicht, dass hinter ihrem Rücken ein bestimmter Ausdruck für sie verwendet wird, der eine Eigenschaft aufgreift, die eher negativ anmutet (zum Beispiel „Schlappie“ oder „Geizer“). Spitznamen können den Vornamen sogar ganz ersetzen: In befreundeten Gruppen kann es vorkommen, dass neu Hinzukommende den wahren Namen einer Person gar nicht mehr kennen.Dieses Phänomen sollte jedoch bei Kosenamen vermieden werden. Sie sollten nicht inflationär verwendet werden, sonst könnte ein Abnutzungseffekt entstehen. Dann löst das „Bärchen“ nur den Vornamen ab, spiegelt nicht mehr die intime Zweierbeziehung wider und ist nicht mehr emotional aufgeladen.

Markus Lindlar

studierte in Köln Sprach- und Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt Morphologie, also der Erforschung der kleinsten bedeutungs- oder funktionstragenden Elemente einer Sprache. Nach dem Studium beschäftigte er sich mit der aktuellen Stadtsprache Kölns und erstellte unter anderem ein kölschen Wörterbuch. Seit 1999 arbeitet Lindlar in der Namensentwicklung und war 2005 Mitbegründer der Namensagentur Nambos. Neben seiner Arbeit mit kommerziell genutzten Namen forscht er zu Kose- und Spitznamen.

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