Power-to-Gas-Prozesse

Schlüsseltechnologie der Energiewende

Abbildung: Dreiphasen-Methanisierungsanlage am KIT Energy Lab 2.0.

von Prof. Dr.-Ing. Thomas Kolb, Dr.-Ing. Siegfried Bajohr,
Engler-Bunte-Institut (EBI), KIT

Das Engler-Bunte-Institut des KIT, Teilinstitut Chemische Energieträger – Brennstofftechnologie (EBI ceb) zusammen mit der dort ansässigen Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) ist eine international renommierte Adresse für Verfahrenstechnik und Chemie der Brennstoffumwandlung und Aufbereitung. Ein Forschungsschwerpunkt ist die Nutzung von regenerativer Energie (Solar- und Windstrom) und Energieträgern (Biomasse) für das Energiesystem der Zukunft. Wir erforschen und entwickeln neue Syntheseprozesse und Umwandlungsverfahren zur Erzeugung chemischer Energieträger für die Speicherung, den Transport und die energetische und stoffliche Nutzung im Zusammenhang mit den wachsenden Herausforderungen der Energiewende.

Speziell der stetig zunehmende Anteil elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen wie Sonne oder Wind stellt aufgrund seiner naturbedingten starken Fluktuationen zunehmend unsere Stromverteilnetze vor Probleme. Derzeit sind diese noch darauf ausgelegt, dass Erzeugung und Nutzung elektrischer Energie gekoppelt sind und „on demand“ ablaufen und die Erzeugung durch die Nutzung speicherbarer fossiler Energieträger frei steuerbar ist. Für das wachsende Problem der Speicherung von großen Strommengen über längere Zeiträume gibt es keine technischen Systeme. Die spezifischen Speicherkapazitäten von elektrochemischen Speichern (Batterien) sind viel zu gering, um einen wesentlichen Beitrag liefern zu können. Die vorhandenen Speicherpotenziale (z. B. Pumpspeicherkraftwerke) sind bereits heute ausgeschöpft, ein weiterer Ausbau ist nur sehr eingeschränkt möglich und die damit erzielbaren Speicherkapazitäten sind bei Weitem nicht für den prognostizierten Bedarf ausreichend. Chemische Energieträger (Wasserstoff, Methan, Methanol, Benzin) erzeugt aus regenerativer Energie, nachwachsenden Rohstoffen und Abfällen sind als erneuerbare Energieträger für die Energiespeicherung zu nutzen. Ihre spezifische Energiedichte ist um den Faktor 40 bis 50 größer als die Energiedichte von Batteriesystemen. Unter den verschiedenen Ansätzen zeichnen sich speziell Power-to-Gas-Technologien (PtG) aus, da diese die bereits vorhandenen (Erdgas-)Speicher sowie die Verteil- und Nutzinfrastruktur vorteilhaft weiternutzen und somit sehr schnell und ohne kostenintensive Umgestaltung des Energiesystems etabliert werden können.

Für alle PtG-Prozessketten steht am Anfang die Umwandlung elektrischer Energie durch Wasser-Elektrolyse zu Wasserstoff. Auch wenn die Wasser-Elektrolyse ein seit vielen Jahrzehnten genutzter Prozess ist, so wird hier an den verschiedensten Stellen Forschung betrieben, um beispielsweise die angesprochenen neuen Herausforderungen durch fluktuierenden Betrieb zu meistern und um die Wirkungsgrade der Prozessketten zu erhöhen. Erste Pilotprojekte zum nächsten Schritt – der regional begrenzten Zumischung einiger Volumenprozente an Wasserstoff zum Erdgas – laufen speziell in Deutschland, erste Erfahrungen hieraus liegen vor. Bisher sind jedoch nicht alle Speicher, Verteilnetze und Anwendungen für Erdgas oder Methan auch kompatibel für Wasserstoff und die H2-Zumischung kann mit wenigen Ausnahmen bisher nur bis maximal zwei Volumenprozent erfolgen. An dieser Stelle nun kommt ein weiteres Glied der PtG-Prozesskette zum Einsatz: Die Umwandlung des Wasserstoffs mit Kohlenstoffdioxid zu synthetischem Methan oder „Substitute Natural Gas“ (SNG) nach der Reaktionsgleichung der von Sabatier 1902 entdeckten Methanisierung:

CO2 + 4 H2 ⇔ CH4 + 2 H2O

Das in diesem Fall als Reaktionspartner notwendige CO2 kann vorteilhaft aus auch weiterhin unvermeidlich anfallenden fossilen Quellen (z. B. Zementwerke), regenerativen Quellen (z. B. Biogasanlagen) oder sogar direkt aus der Atmosphäre entnommen werden. Auf diesen Wegen werden durch CO2-Recycling Emissionen reduziert bzw. geschlossene Stoffkreisläufe ohne CO2-Zuwachs in der Atmosphäre aufgebaut. Zur Durchführung der Methanisierung können katalytische und biologische Reaktorsysteme genutzt werden. Die Forschung hierzu hat in den letzten Jahren zur Entwicklung einer Vielzahl an interessanten Konzepten geführt. Einige davon konnten in jüngster Zeit den Schritt aus dem Labor hin zu Demoprojekten und Pilotanlagen vollführen. Im Folgenden werden daher zwei Beispielprojekte kurz erläutert werden, bei denen das EBI ceb mit der DVGW-Forschungsstelle am EBI federführend beteiligt ist.

Für die speziellen Herausforderungen des dynamischen Betriebs der katalytischen Methanisierung werden seit einigen Jahren Dreiphasen-Reaktorkonzepte entwickelt und experimentell untersucht. Für die Anwendung als problemlos mit schnellen Lastwechseln betreibbarer Methanisierungsreaktor ist das Konzept eines Dreiphasen-Blasensäulenreaktors attraktiv, in welchem die festen Katalysatorpartikel in einer Wärmeträgerflüssigkeit suspendiert, gleichmäßig verteilt und durch die Eduktgase CO2 und H2 indirekt fluidisiert werden. Die in situ am Katalysator vorliegende Wärmeträgerflüssigkeit ermöglicht eine sehr effiziente Temperaturkontrolle, da aus dem dreiphasigen System aus festem Katalysator, Wärmeträgerflüssigkeit und gasförmigen Edukten und Produkten eine deutlich verbesserte Wärmeabfuhr unter stationären und dynamischen Bedingungen erfolgen kann, als dies bei herkömmlichen Reaktorkonzepten der Fall ist. Der Reaktor selbst ist sehr einfach aufgebaut und damit kostengünstig in Fertigung, Betrieb und Wartung. Im Sommer 2019 wurde auf dem Gelände des KIT Campus Nord die in Abbildung 1 gezeigte Pilotanlage zur katalytischen Dreiphasen-Methanisierung erfolgreich in Betrieb genommen. Diese 100 Kilowatt Pilotanlage ist Teil des KIT-Projekts „Energy Lab 2.0“, bei dem mit Mitteln aus Bund und Land verschiedene Komponenten zukünftiger Energiesysteme im Pilotmaßstab realisiert und zu einem Anlagenverbund zusammengefasst werden. Dabei zielt das Energy Lab 2.0 vor allem darauf ab, das Zusammenspiel der einzelnen Technologien zu erforschen und möglichst realitätsnah zu erproben. Bei der Dreiphasen-Methanisierungsanlage des EBI ceb handelt sich um die weltweit erste Anlage ihrer Art. Speziell durch den Schritt vom Laborreaktor hin zum technisch relevanten Maßstab und die damit einhergehende Vermeidung von Wandeinflüssen auf Hydrodynamik und Stofftransport werden experimentelle Ergebnisse von hoher wissenschaftlicher Relevanz und für die weitere Umsetzung hin zu einem Verfahren industriellen Maßstabs erzielt.

Im Rahmen des EU-Projektes STORE&GO untersuchten 27 europäische Partner von 2016 bis 2020 das Potenzial von PtG-Technologien im europäischen Energiesystem. Es wurde analysiert, welcher Beitrag geleistet werden kann, um Klimaziele zu erreichen und das europäische Energiesystem umzubauen. Herzstück von STORE&GO sind drei Demonstrationsanlagen, die in Deutschland, der Schweiz und Italien im Projektverlauf errichtet wurden und innovative Methanisierungsverfahren nutzen.

Eine der drei STORE&GO-Anlagen befindet sich in Falkenhagen (Brandenburg). Die dort bereits vor STORE&GO vorhandene Wasserstofferzeugungsanlage der Uniper SE wurde im Mai 2018 um eine Methanisierungsstufe mit einer SNG-Erzeugungsleistung von 580 Kilowatt erweitert. Das Methanisierungsverfahren basiert auf katalytisch beschichteten metallischen Wabenkörpern, die sich durch ihr hervorragendes Wärmeabfuhrvermögen speziell für die Methanisierung eignen. Diese Technologie wurde ebenfalls am EBI ceb entwickelt und ist auf dem notwendig hohen Entwicklungsstand für die in Falkenhagen durch die Firma Thyssenkrupp Industrial Solutions realisierte Demonstrationsanlage. Bei den in den anderen STORE&GO-Demonstrationsanlagen zum Einsatz kommenden Methanisierungsreaktoren handelt es sich um einen Mikroreaktor der Firma Khimod-Alcen in Troia (Italien) bzw. um eine biologische Methanisierung mit Hilfe von Archaeen der Firma Electrochaea in Solothurn (Schweiz).

Alle drei PtG-Anlagen erfüllten die in sie gesetzten Erwartungen und konnten wichtige Rahmendaten für die weitere politische Weichenstellung für PtG-Technologien in Europa liefern.

Abbildung: PtG-Demonstrationsanlage (Methanisierungsanlage) in Falkenhagen.

* KATALYTISCHE UND BIOLOGISCHEREAKTORSYSTEME
Ein Katalysator ist ein Stoff, der die Reaktionsgeschwindigkeit einer chemischen Reaktion erhöht, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. Katalytische Reaktorsysteme verwenden synthetische Katalysatoren zur Beschleunigung der Reaktion, biologische Reaktorsysteme nutzen stattdessen Mikroorganismen.

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Artikelreihe zum Thema Wasserstoff-Forschung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entstanden. Hier geht es zu den anderen Beiträgen: