Wer bist du nochmal?
Meine Oma ging einmal nachts auf die Straße, um Äpfel zu verkaufen. Sie klingelte an alle Türen der Nachbarn. Sie war verwirrt. Einige Zeit später warnte sie uns davor, nicht in den Wald zu gehen, wenn wir auf die Toilette mussten. Und nochmal später kannte sie uns nicht mehr. Diagnose: Demenz.
von Melanie Baron
Demenz ist eine Kombination von verschiedenen Symptomen, welche kognitive, emotionale und soziale Fähigkeiten im Leben der Betroffenen einschränken. Wenn wir an Menschen mit Demenz denken, kommt uns direkt eine Gedächtnisstörung in den Kopf. Der erkrankte Mensch greift nur noch auf Erlebnisse im Langzeitgedächtnis zurück. Er kann sich nicht daran erinnern, was erst vor kurzer Zeit geschehen ist. Generell lassen sich die Symptome der Demenz in vier unterschiedliche Kategorien einteilen: Aphasie (Störungen in der Sprache), Apraxie (Störungen der motorichen Fähigkeiten), Agnosie (Unfähigkeit, Gegenstände zu identifizieren) und das dysexekutive Syndrom (Unfähigkeit zu planen, zu organisieren oder eine Reihenfolge einzuhalten). Insgesamt kann man die Beschwerden nochmal unterteilen. Kognitive Symptome sind die Leitsymptome einer Demenz-Erkrankung. Dabei ist die Vergesslichkeit allgemein zunächst etwas ganz Normales. Bei den Erkrankten gehen mit der Zeit jedoch länger zurückliegende Erinnerungen verloren. Das Ausmaß der Vergesslichkeit ist also höher. Falls zusätzlich zur Demenz weitere Erkrankungen vorliegen, kann es außerdem zu Wortfindungs- und Rechenstörungen sowie zu Störungen der Raumwahrnehmung kommen. In einem weit fortgeschrittenen Stadium erkennen die Patienten selbst ihre Angehörigen nicht mehr. Sie werden meist bettlägerig, stuhl- und harninkontinent. Schlussendlich kann der Abbau der Nervenzellen im Gehirn zum Tod führen. Zu der Störung von motorischen Fähigkeiten zählt auch, dass der Gang schlurfender und kleinschrittiger wird. Eine erhöhte Sturzgefährdung besteht zudem, da die nötigen Haltereflexe nicht mehr funktionieren. Menschen mit Demenz vernachlässigen ihre Körperpflege, das Aufräumen der Wohnung und die Ernährung. Letztendlich könnte es passieren, dass sie vergessen, wie man kaut oder schluckt. Auch optische Halluzinationen sind bei Betroffenen beobachtbar. Hier sind noch einige Verhaltens-Symptome und deren Häufigkeit: Apathie (76 Prozent), zielloses Herumirren (64,5 Prozent), Essstörungen (63,7 Prozent), Gereiztheit (63 Prozent), Agitation (62,8 Prozent), Schlafstörungen (53,8 Prozent), Depressionen (54,3 Prozent), Angst (50,2 Prozent), Wahn (49,5 Prozent), Halluzinationen (27,8 Prozent) und Euphorie (16,6 Prozent).
Wie bei fast allen Krankheiten gibt es auch bei Demenz verschiedene Formen. Die Alzheimer-Demenz ist wohl die häufigste Form aller Demenz-Erkrankungen. Weitere häufige Formen sind die vaskuläre Demenz, die Lewy-Körperchen-Demenz und die frontotemporale Demenz. An selteneren Formen erkranken heutzutage auch jüngere Menschen. Dazu gehören unter anderem Demenz-Formen, die durch andere Krankheiten, wie beispielsweise durch Tumore oder Hämatome, ausgelöst werden. Außerdem kann Demenz infolge einer Creutzfeldt- Jakob-Krankheit oder einer Parkinson-Krankheit ausgelöst werden. Die vaskuläre Demenz, also die zweithäufigste Form der Demenz-Erkrankung, lässt sich ebenfalls nochmal unterteilen: Das Multiinfarktsyndrom ist ein Defektsyndrom nach multiplen Schlaganfällen mit einem Untergang einer kritischen Masse an neuralem Gewebe. Zudem gibt es noch die strategischen Insulte. Diese beschreiben kognitive Defizite an entscheidenden Stellen im Gehirn, wie zum Beispiel dem frontalen Marklager. Zur vaskulären Demenz gehören auch mikroangiopathische Läsionen, Mikrogefäßänderungen und genetische Grunderkrankungen. Es gibt einige Risikofaktoren, warum bestimmte Menschen eher an Demenz erkranken. Der Hauptrisikofaktor ist ein erhöhtes Lebensalter, aber auch Depressionen bilden ein Risiko für die Entwicklung einer Demenz. Außerdem sind Hypertonie, Niereninsuffizienz, Adipositas und ein hoher Homocysteinspiegel mögliche Auslöser. Dabei spielen Defekte des Gefäßsystems eine große Rolle. Neben den kardiovaskulären Risikofaktoren spielen ebenfalls eine ausreichende körperliche Aktivität, soziales Engagement und eine gesunde Ernährung eine Rolle. – wie bei fast allen Krankheiten. Diagnostiziert wird eine Demenz mithilfe des ICD- 10, einer Klassifikation für Krankheiten. Zur Differenzierung und Abgrenzung von anderen Krankheiten ist es sinnvoll, eine Kernspintomografie oder eine Computertomografie des Schädels machen zu lassen. Um keine Ursache zu übersehen, sollte außerdem eine Blutuntersuchung angeordnet werden. Dabei sollte das Blutbild, der Vitamin-B12-Spiegel, Blutzucker, Leberwerte, Nierenwerte, Elektrolyte, Schilddrüsenhormone und CRP untersucht werden. Hilfreich bei einer fortschreitenden Demenz sind auch psychometrische Testverfahren, wie der Mini-Mental-Status-Test, der Uhren- Zeichen-Test oder der DemTect. Laut einer Studie von 2005 sind 60 Prozent der Demenz-Erkrankungen Alzheimer-Erkrankungen. Die vaskuläre Demenz bildet nur 20 Prozent der Erkrankungen. Beim Alter finden sich Unterschiede. So sind 34,6 Prozent der über 90-Jährigen und nur 1,2 Prozent der 65- bis 69-Jährigen betroffen. Dabei ist ebenfalls ein Unterschied der Geschlechter zu erkennen. Frauen erkranken durchschnittlich häufiger als Männer. Im Jahr 2009 erhob die „BARMER GEK Krankenkasse“ eine Studie und fand heraus, dass 47 Prozent der verstorbenen Frauen und 29 Prozent der verstorbenen Männern zuvor an Demenz erkrankten. Der Welt-Alzheimer-Bericht aus dem Jahr 2015 beschreibt, dass weltweit alle 3,2 Sekunden ein Mensch an Demenz erkrankt. Momentan leben knapp 46,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Forscher:innen gehen jedoch davon aus, dass sich diese Zahl bis 2030 rasant erhöhen wird, nämlich auf etwa 74,1 Millionen Menschen.
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