Manipulierte Geschichte – Dolchstoßlegende und Kriegspropaganda
von Lea Lange
Stellt euch vor, ihr befindet euch im Jahr 1918 und habt gerade einen Krieg durchlebt, an dem die ganze Welt beteiligt war. Alles steht Kopf und die Zukunft scheint in einigen Momenten vage zu sein. Doch ihr habt das Wort eurer Regierung, die Sicherheit, dass Deutschland siegreich aus diesem
Rennen gegen die Feinde hervorgehen würde. Eure Regierung, diejenigen, welche eigentlich das Wohl der gesamten deutschen Bevölkerung im Sinne haben sollten, versprechen euch immer und immer wieder, dass der Krieg nicht aussichtslos sei. Nach vier langen Jahren der Siegesallüren stellt sich heraus, dass die gesamten Versprechungen Lügen waren und ihr den Krieg so gut wie verloren habt. All euer Vertrauen in die Obrigkeit wird mit einem Schlag vernichtet und es fühlt sich so an, als würde man von hinten erstochen werden.
Den Deutschen ging es zum Ende des ersten Weltkrieges vermutlich nicht viel anders. Die Dolchstoßlegende war geboren und ging in die Geschichte der deutschen Kriegspropaganda ein. Doch wie ist sie überhaupt entstanden, welche Konsequenzen hatte sie auf das Denken der Menschen und die Zukunft Deutschlands?
Manipulation und Propaganda gegenüber einzelnen oder sogar einer ganzen Gruppierung von Menschen war schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts keine Neuigkeit. Heutzutage ist es zusätzlich, durch moderne technische Finessen, sogar noch einfacher, das Denken der Menschen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Doch vor über 100 Jahren war die Technik bei weitem nicht so fortgeschritten wie heute. Damals wurde besonders durch die Wortgewandtheit im besten Wissen manipuliert, also beeinflusst. Teilweise wurden einzelne Wörter einer ganzen Rede entnommen und in falschen Kontext gebracht, wodurch ein negatives Bild gegenüber der gegnerischen Partei entstand. Bei einer Manipulation geht es keineswegs darum, die Menschen an die realen Geschehnisse zu erinnern, sondern die Wirklichkeit nach eigenem Ermessen zu verändern und zum eigenen Vorteil zu nutzen.
Der Begriff der Propaganda ist der Manipulation sehr ähnlich und manchmal nicht klar voneinander zu trennen. Allerdings kann man die Propaganda vor allem im politischen und militärischen Milieu unterbringen. So entstehen Bezeichnungen wie zum Beispiel Kriegspropaganda. Bevor der erste Weltkrieg begann, hat man durch sprachliche Mittel versucht Kriegseuphorie in den Menschen hervorzurufen, indem an den Patriotismus und den Nationalstolz der Deutschen appellierte. Am 28. Juni 1914 kamen der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und die Herzogin von Hohenberg, Sophie Chotek, durch ein Attentat ums Leben. Dieses Ereignis wurde nun vom deutschen Kaiser Wilhelm II. genutzt, um mit Angst die Menschen zu manipulieren und die eben genannte Kriegseuphorie hervorzurufen. In einer Rede rief er seinen Landsleuten ins Bewusstsein, dass Deutschland dieses Schicksal ebenso erleiden könnte und der Schutz der Bevölkerung an oberster Stelle stehen würde und man diese Gefahr nur mit Gewalt gegen Gewalt lösen könne.
Warum aber war der Kaiser so erpicht darauf, in den Krieg zu ziehen?
Wilhelm II. war der Ansicht, dass das Deutsche Reich einen Platz an der langen Tafel Gottes verdient hätte und es durch Krieg an die Spitze der Macht kommen würde. Dies propagierte er ebenso an seine Schutzbefohlenen, wodurch der Nationalstolz und damit die Kriegseuphorie verstärkt wurde. Frauen und Männer aus der Mittel- und Oberschicht erklärten sich dazu bereit, als Soldaten und Krankenschwestern an die Front zu ziehen und das Vorhaben des Kaisers mit allen Mitteln zu unterstützen.
Während der Krieg auf der ganzen Welt tobte, versicherte die OHL der deutschen Bevölkerung, dass alle Zeichen für einen Sieg günstig stünden. Diese Versprechungen wurden vor allem von zwei Männern gemacht, die heute noch bekannt sind. Die Rede ist von Erich Ludendorff und Paul von Hindenburg.
Über vier Jahre hinweg manipulierten sie die deutsche Bevölkerung in hohem Maße.
Als 1918 die Aussichten auf einen Triumph zunichtegemacht wurden und dies nicht mehr zu verleugnen war, breitete sich zunächst Unglauben in der Bevölkerung aus. Niemand aus der zivilen Gesellschaft hatte mit einer Niederlage gerechnet, da nur Positives von der OHL berichtet und eine vermeintliche Transparenz geschaffen wurde.
Um keine Rechenschaft vor den aufgebrachten Bürgerinnen und Bürger ablegen zu müssen, entwickelten Ludendorff und Hindenburg die Lüge der Dolchstoßlegende.
Sie besagt, dass die Linke Partei Friedensverhandlungen mit den Feinden veranstaltet und dass diese eine Chance auf den Aufstieg des Deutschen Reiches zur Weltmacht vernichtet hätten. Dabei war es die OHL selbst, welche die Vereinigten Staaten um einen Waffenstillstand baten. Politiker aus dem
rechten Sektor unterstützten diese Lüge und es entwickelte sich eine tiefe Abneigung gegen die Sozialdemokraten.
Die nationalsozialistische Deutsche Partei nutzte 1920 erneut diese Lüge und Manipulation, um noch weiteren Hass unter der Bevölkerung gegen die sozialdemokratische Deutsche Partei zu verbreiten. Außerdem wurde die Behauptung aufgestellt, dass vor allem die Juden von der Kriegstreiberei profitieren, während der Großteil der Bevölkerung hungern. Diese Propaganda und Manipulation legitimierten den Antisemitismus.
Eine solche Provokation gegen die ethnisch-religiöse Gruppe hielt noch einige Jahre an und ebnete den Weg des einschneidenden Judenhasses und führte zu unsagbaren Gewalttaten, welche das Denken der Menschen nachhaltig gestaltete. Noch heute sind einige Gruppierungen innerhalb
Deutschlands, aber auch in weiteren Teilen der Welt, von der
antisemitischen Haltung beeinflusst.
Manipulationen und Propaganda werden unter anderem in Kriegszeiten verwendet, um die Haltung der Menschen zu prägen und so viel Zuspruch und Unterstützung wie möglich zu forcieren. Aufgrund einer präzisen und wohl bedachten Artikulation ist es oft nicht einfach zu erkennen, wann man gezielt manipuliert sowie indoktriniert wird. Dabei muss man sehr genau auf die gesprochene wie auch geschriebene Worte achten.
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