Prahlen – Große Klappe, nichts dahinter
von Dr. Astrid Schütz und Marine Groulon
»Ich bin hier ganz alleine hochgekommen, ganz ohne Hilfe!« – man muss nur wenig Zeit auf einem Spielplatz verbringen und schon hat man einiges darüber gelernt, welches Kind welche Fähigkeit besitzt und was es besonders gut und viel besser als die anderen kann. Das Ego von Kleinkindern scheint enorm groß zu sein, und das ist wohl auch gut so. Man geht davon aus, dass dieser Umstand förderlich für die Entwicklung ist und dabei hilft, über die eigenen Missgeschicke hinwegzusehen. Meist nimmt diese Selbstüberschätzung im Laufe des Lebens jedoch ab. Vermutlich kennen wir aber auch alle Personen, die selbst im Erwachsenenalter anscheinend noch grenzenlos von sich überzeugt sind. Tatsächlich denken die meisten Menschen, dass sie besser seien als der Durchschnitt – eine Rechnung, die natürlich nicht aufgeht. Doch nicht alle hängen ihre vermeintlich besseren Fähigkeiten, Eigenschaften oder Erfolge an die große Glocke. Was steckt also hinter dem Phänomen des Prahlens?
Zunächst einmal sollte klar sein, dass es durchaus vorteilhaft ist, ein positives Bild von sich selbst zu haben. Menschen mit einem hohen Selbstwert sind tendenziell zufriedener: mit sich, ihren Beziehungen und ihrem Leben. Und nicht nur die Zufriedenheit ist bei Menschen mit hohem Selbstwert hoch, sondern auch die Leistungen, die sie zeigen. Stolz auf die eigenen Erfolge und Eigenschaften zu sein, ist also durchaus hilfreich. Was genau dazu beiträgt, dass wir uns selbst wertschätzen, hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise wie wir unser Aussehen, unsere Beziehungen oder unseren beruflichen Erfolg bewerten. Eine Möglichkeit, sich selbst aufzuwerten, sind soziale Vergleiche: »Meine Wohnung ist größer als deine.«, »Ich verdiene mehr als mein Kollege.«, »Ich kann schneller joggen als meine Freundin.« – all diese Vergleiche können Strategien seien, um sich besser (als die Anderen) zu fühlen.
Bei manch einer Person mag die eigene hoch positive Einschätzung ihrer Selbst auch von anderen Personen geteilt werden – es ist ja durchaus möglich, dass Menschen sich besonders gut finden und auch objektiv betrachtet herausragende Leistungen erzielen oder außergewöhnliche Fähigkeiten besitzen. Allerdings gibt es auch Personen, die sich weitaus positiver einschätzen als andere sie einschätzen und die sich entsprechend der Alltagsbeschreibung »Große Klappe, nichts dahinter« verhalten. Eine solche Selbstüberschätzung unterscheidet sich von gesundem und stabil positivem Selbstwert. Wenn Menschen ihre unrealistische hohe Selbstwertschätzung zur Schau tragen und sich in besonders gutem Licht präsentieren, sprechen wir häufig von Prahlerei – »So ein Angeber«, denken wir vielleicht mit einem Augenrollen.
Ist es also schlecht, wenn wir uns (vielleicht ein bisschen zu) gut finden? Welche Konsequenzen hat es, wenn Menschen sich selbst überschätzen? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Denn es gibt sowohl positive als auch negative Auswirkungen von Selbstüberschätzung. So werden Personen, die sich selbst für herausragend halten, bei ersten Kontakten meist auch von anderen als attraktiv wahrgenommen. Negative Bewertungen kommen erst im Laufe der Zeit hinzu. Zwar scheint es einen Zusammenhang mit dem Wohlbefinden und dem Setzen von herausfordernden Zielen zu geben, allerdings besteht langfristig auch die Gefahr sinkender Motivation und Leistung, wenn sich Misserfolge einstellen. Vermutlich lautet die Antwort auf die Frage nach den Konsequenzen also: »Es kommt drauf an.« Kurzfristig fühlen sich Menschen, die sich selbst überschätzen, gut und üben eine gewisse Faszination auf uns aus. Langfristig kann es jedoch auch zu negativen Folgen wie sozialer Ablehnung kommen weil einem das Verhalten der Anderen gehörig auf die Nerven geht.
Von starker Überschätzung der eigenen Person ist Narzissmus nicht weit entfernt. Unter diesem Begriff versteht man eine Persönlichkeitseigenschaft, welche bei Menschen unterschiedlich ausgeprägt ist. Personen mit einer hohen Ausprägung nehmen sich selbst als außergewöhnlich wahr, haben ein ausgeprägtes Bedürfnis danach, auch von anderen bewundert zu werden, und neigen dazu, mit ihren Erfolgen und vermeintlicher Überlegenheit zu prahlen. Der Wunsch nach Bewunderung trägt häufig dazu bei, dass sich narzisstisch orientierte Personen als besonders selbstsicher und humorvoll präsentieren. Kurzfristig werden sie für ihr Verhalten von anderen oft belohnt, langfristig gibt es aufgrund ihrer egozentrischen Perspektive jedoch besonders in Beziehungen Probleme, da es ihnen sehr schwer fällt andere Sichtweisen einzunehmen und empathisch zu sein. Prahlerei kann also dadurch entstehen, dass wir selbst ein (zu) vorteilhaftes Bild von uns haben und dieses mit anderen teilen. Auch streben Menschen im Allgemeinen danach, dass Andere sie gut finden (Motiv der Selbstwerterhöhung und des Selbstwertschutzes). Und um das zu erreichen, versuchen wir häufig, unsere Vorzüge zu betonen. Ob wir jemanden attraktiv finden oder uns im Bewerbungsgespräch den Fragen der Personaler*in stellen: Wir werten uns selbst auf, indem wir uns mit unseren Stärken, Leistungen und Errungenschaften rühmen und hoffen, dass andere diese Sicht teilen und bestätigen.
Ein wenig Eigenwerbung hat schließlich noch niemandem geschadet, oder? Mein Haus, mein Auto, mein Boot – soziale Medien strotzen nur so von besonders aufregenden Urlauben, perfekt in Szene gesetzten Körpern oder der Präsentation kostspieliger Anschaffungen. Doch alle, die einmal dem Monolog einer neuen Bekanntschaft über dessen vermeintliche Errungenschaften und Fähigkeiten gelauscht hat, weiß: Das kann auch nach hinten losgehen. »Eigenlob stinkt«, sagt der Volksmund und bringt damit zum Ausdruck, was wir häufig vergessen, wenn wir selbst einmal dabei sind, für uns zu werben. Sind wir zu sehr bemüht, uns möglichst günstig darzustellen, kann dies dazu führen, dass wir genau das Gegenteil erreichen: Wir werden weniger sympathisch und als Angeber*in wahrgenommen und schneiden uns ins eigene Fleisch. Manche Menschen fühlen sich gar so sehr unter Druck, von anderen positiv wahrgenommen zu werden, dass sie Erfolge und Leistungen vorgeben, die sie nie erreicht haben. Solche Falschdarstellungen und Lügen können natürlich auffliegen und dann das Gegenteil des erwünschten Resultates bewirken. Prahlen birgt also auch Risiken. Eine andere denk-bare Strategie ist es, sich positiv zu positionieren, in dem man sich besonders bescheiden gibt. Das kommt bei anderen häufig gut an, Bescheidenheit gilt schließlich als edle Tugend. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, dass wir selbst unterschätzt werden können. Folgen dem ersten Date mit dem Schwarm noch viele weitere, ist trotz der eigenen Bescheidenheit wahrscheinlich, dass ein umfassender Eindruck gewonnen und im Laufe der Beziehung viele Stärken entdeckt werden. Im Bewerbungsgespräch mit der Personaler*in kann es jedoch passieren, dass Stärken unentdeckt bleiben und einen so vielleicht den Traumjob kosten.
Auch wenn es also nicht immer ratsam ist, den Scheinwerfer auf die eigene Person zu lenken und sich in einem zu guten Licht zu präsentieren – unter den Scheffel stellen sollte man dieses eben bei ersten Kontakten auch nicht, wenn man nicht Gefahr laufen möchte, sich unter Wert zu verkaufen.
BEI WEITEREM INTERESSE AN DEM THEMA EMPFEHLEN PROF. DR. SCHÜTZ UND FRAU GROULON FOLGENE WEITERFÜHRENDE LITERATUR:
1. Röhner, J., & Schütz, A. (2020) Psychologie der Kommunikation (3. über
arbeitete und erweiterte Aufl.). Wiesbaden: Springer VS.
2. Schall, M., & Schütz, A. (2020). Macht Erfolg glücklich? Wie Leistung belasten
und zufrieden machen kann. Bern. Hogrefe
3. Schütz, A., & Hoge, L. (2007). Positives Denken – Vorteile, Risiken, Alternativen. Stuttgart: Kohlhammer.
4. Schütz, A. (2005). Je selbstsicherer desto besser? Licht und Schatten positiver Selbstbewertung. Weinheim: Beltz.
Aktuelle Studien zum Thema sind unter:
https://www.uni-bamberg.de/perspsych/forschung/interesse-an-studien/
zu finden.
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