Nichts – In der Sprache
von Larissa Schwager
N-I-C-H-T-S. Sechs Buchstaben. Ein Wort.
Ein Wort, das auf den ersten Blick – und vielleicht auch auf den zweiten – simpel erscheint.
Wir verwenden es alltäglich, ohne uns weiter darüber Gedanken zu machen.
Denn eine einfache Frage, wie beispielsweise „Was machst du gerade?“ erfordert ja auch nur eine einfache Antwort, oder? Deshalb antworten wir mit einem schnell daher gesagten „nix“.
Obwohl wir mit großer Wahrscheinlichkeit gerade nicht nichts machen. Stattdessen sitzen wir möglicherweise gerade an unserer Bachelorarbeit, trinken Tee, oder denken einfach über die Bedeutung des Wortes Nichts nach. Viele würden das vielleicht bereits als „nichts tun” deklarieren.
Dies führt uns wiederum zu komplexeren Fragen, wie zum Beispiel ob es überhaupt möglich ist, nichts zu machen oder zu denken. Wenn wir die Augen schließen und versuchen wirklich einmal nichts zu denken, dann kommt uns vielleicht das Wort „Nichts” in den Sinn oder wir sehen eine schwarze oder weiße Fläche. Aber das ist alles nicht wirklich nichts.
Bei genauerem Hinsehen gelangen wir also zu der Erkenntnis, dass dem Wort eine Bedeutungsvielfalt innewohnt, die – insbesondere in der Philosophie – komplex genug ist, um einem bei dem Versuch, den Inhalt zu ergründen, Kopfschmerzen zu bereiten. Beginnen wir zunächst einmal also lieber mit den weniger umfangreichen und komplizierten Ansätzen.
Nehmen wir uns zu diesem Zweck einen Moment Zeit, um darüber nachzudenken, wie wir den Begriff aus dem Stehgreif heraus definieren würden.
Gar nicht so leicht, oder? Und was ist das Erste, das man in so einer Situation macht? Man schlägt den digitalen Duden auf. Ein paar Klicks später erhält man einige schlüssige Antworten auf eine Frage, die für den menschlichen Verstand derart schwer zu greifen ist.
Nichts im Alltag und in der Umgangssprache
„Verschwindend geringe Menge, Anzahl (von etwas Bestimmtem)“,
ist nur eine von verschiedenen Bedeutungsdimensionen des Begriffs. Gleichzeitig aber auch eine, die nachvollziehbar erscheint. Nichts ist das Gegenteil von Alles, was bedeutet, dass die Menge von etwas Bestimmtem nicht existent sein muss, um als Nichts bezeichnet werden zu können. Oder zumindest muss es in unserer subjektiven Wahrnehmung gering wirken.
Wenn wir beispielsweise nach einem Blick in den vollen Kleiderschrank, überzeugt davon sind, dass wir nichts zum Anziehen haben. Oder wenn wir meinen, wir hätten nach vier Bier noch nichts getrunken.
„Als leer gedachter Raum [des Alls]“,
wird das Nichts in der Umgangssprache häufig assoziiert. Dass das in der Wissenschaft allerdings nicht unproblematisch ist, wird sich später noch zeigen.
Dabei muss es sich bei dem leer gedachten Raum nicht nur um das All handeln. Stattdessen kann es auch ein leeres Glas Wasser sein. Nichts besteht also prinzipiell durch die Abwesenheit von etwas anderem.
Diese zwei Definitionen dienen der Erklärung der alltäglichen Nutzungsweise des Begriffs. Wie bereits erwähnt, sind hier allerdings umfangreichere Erklärungen vonnöten.
„Mensch, der keinerlei Achtung genießt, den keiner respektiert, der keine soziale Stellung hat oder Ähnliches“
Diese Art der Wortverwendung wird als abwertende Aussage gegen eine andere Person genutzt. Es wird hier auf einen Mangel, von möglicherweise Ansehen oder Vermögen, abgezielt. Wodurch nichts ein weiteres Mal in Verbindung mit etwas Fehlendem gebracht wird.
Nichts in der Philosophie
„Absolutes Nichtsein; Gegensatz zum Sein und zum Seienden“
Das Wort leitet sich hier aus den lateinischen Worten non ens (Nicht-Sein/ Nicht-Dasein) ab. Einfach ausgedrückt beschreibt diese Definition die philosophische Bedeutung des Begriffs.
Dass das Nichts eng mit dem Sein und der generellen Existenz zusammenhängt, liegt aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit zueinander nahe. Allein in der Theologie haben das Sein und das Nichts eine starke Kausalität, da man von der Schöpfung aus dem Nichts spricht. Die Bedeutung von Nichts ist demnach verknüpft mit der Frage, warum Dinge überhaupt existieren.
Wenn aber das Universum aus dem Nichts entstanden ist und man dies statt aus einer theologischen, aus einer physikalischen Sicht betrachtet, dann müsste diese Entstehung den physikalischen Gesetzen folgen. Aber gab es die Gesetze dann vor dem Nichts? Auf Fragen wie diese folgen viele weitere.
Im absoluten Sinn spielt das Nichts demzufolge in der Existenzphilosophie eine markante Rolle, die dem Sein die Möglichkeit gibt zu existieren und umgekehrt.
In der Philosophie entspricht das Nichts im relativen Sinne außerdem der Negation, wodurch es am Ursprung der Verneinung steht.
Der Versuch, philosophische Fragen in Bezug auf das Nichts zu beantworten, führt zu wenigen Antworten und noch mehr Fragen als zu Beginn der Untersuchung.
Im Grunde stellt die Beschäftigung mit dem Nichts einen Versuch dar, etwas zu verstehen, das nicht wirklich existiert. Etwas, das sich so anfühlt, als würde es am Rand unseres Verstandes kratzen, ohne in Gänze erfasst werden zu können.
In der Physik und in der Wissenschaft
Die Physik erklärt, dass das wahre und reine Nichts nicht identisch ist mit einem leeren Raum, was sich durch die Quantenfeldtheorie beweisen lässt.
Ein leerer Raum kann nie komplett leer sein, da er immer noch die Eigenschaften der Quantenmechanik enthält. Diese Eigenschaften befinden sich allerdings in einem Zustand, der vergleichbar ist mit dem von uns Menschen, wenn wir nach einem langen Tag nach Hause kommen und keine Energie mehr haben. Sie befinden sich also in einem Zustand der Nullenergie und bewirken schlicht nichts. Die Teilchenphysik könnte also das Vakuum untersuchen und dort besagte Eigenschaften entdecken.
Man sollte den Raum demzufolge nicht als etwas Leeres sehen, stattdessen sollte man Nichts als etwas betrachten, das in Abwesenheit von gleichmäßigem Raum und Zeit existiert.
Das Nichts ist, wie wir gesehen haben, ein Konzept, das sich in einer Mischung aus Philosophie, Wissenschaft, Theologie, Konzeptanalyse und reiner Sprache wiederfinden lässt. Die Frage, was genau eigentlich Nichts ist, ist eine derart schwer zu beantwortende Frage, dass selbst Experten sich damit schwertun.
* Etymologie
Nichts leitet sich von dem lateinischen Wort nihil ab. Im Mittelalter hat der Begriff eine Wandlung von dem althochdeutschen Wort niowiht hin zu den Mittelhochdeutschen Wörtern niwiht, niweht und niht durchgemacht.
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