Keine Sinne – Blind, taub, geruchs- und geschmacklos

Über die Ursachen, Häufigkeiten und Hintergründe von fehlenden Sinnen.

von Kate Becher

Ein gewöhnlicher Morgen: Die Vögel zwitschern, während man sich mit dem ersten Kaffee auf den Balkon setzt. Man spürt, riecht und schmeckt das heiße Getränk in der Hand und man hört und sieht das Tier im nahegelegenen Baum. Schon in den ersten Minuten zu Beginn des Tages benutzt man all seine Sinne: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen. So grundlegend die fünf Wahrnehmungen für den Menschen sind, desto gleichsam unvorstellbar ist es, ohne diese auszukommen: wir benutzen sie ganz selbstverständlich in unserem Alltag.

Ganz grundsätzlich geht man beim Menschen von fünf Sinnen aus: Hören, die auditive Wahrnehmung mit den Ohren (Gehör), Riechen, die olfaktorische Wahrnehmung mit der Nase (Geruch), Schmecken, die gustatorische Wahrnehmung mit der Zunge (Geschmack), Sehen, die visuelle Wahrnehmung mit den Augen (» Gesichtsempfindung«), Tasten, die taktile Wahrnehmung mit der Haut (Gefühl). Tatsächlich gibt es jedoch noch mehr Sinne: mithilfe der Thermorezeptoren kann der Mensch die Außentemperatur wahrnehmen. Nozirezeptoren sind für die Schmerzempfindung verantwortlich. Das Gleichgewicht kann der Mensch mit dem Vestibularorgan im Ohr, dem Gleichgewichtssinn, bestimmen. Etwas unbekannter sind die Organe, die die Körperempfindungen mit Hilfe von Tiefensensibilität messen: Darunter versteht man Organsinne, Viszero- oder Enterozeption, welche unter anderem Empfindungen wie Hunger, Durst und den Harndrang regulieren. Andere Sinne sind dem Menschen zur aktiven Wahrnehmung ebenfalls verborgen: beispielsweise, dass der Körper im Bereich der Kehle den Blutdruck messen kann.

Als blind wird man in Deutschland bezeichnet, wenn man eine Sehbehinderung hat, bei der visuelle Eindrücke gar nicht oder in einem sehr geringen Maß wahrgenommen werden. Dabei ist bei Blindheit zwischen verschiedenen Klassifizierungen zu unterscheiden. Unter anderem wird zwischen angeborener und erworbener, heilbarer und bleibender sowie vollständiger und partieller Blindheit separiert. Unterschiedliche Ursachen können zur Folge haben, dass Menschen blind werden: Am häufigsten in Deutschland vertreten ist die Altersblindheit, bei der der »Gelbe Fleck«, die Macula lutea, als Punkt des schärfsten Sehens ihre Funktion verliert. Verantwortlich können aber unter anderem auch der graue oder grüne Star, Diabetes, Folgen eines Schlaganfalles oder Verletzungen des Auges selbst sein. Laut WHO sind international 2,2 Milliarden Menschen von einer Sehbehinderung betroffen oder sind vollständig blind. Besonders hoch sind die Zahlen in Entwicklungs- und Schwellenländern: 89 Prozent der Betroffenen kommen von dort. Grund ist die besonders schlechte Versorgung mit Ärzt*innen und damit unbehandelte Augenkrankheiten , welche mit der richtigen Versorgung nicht zu einer Blindheit führen müssten.

Das Wort » taub « kann sowohl für den auditiven Sinn sowie für Wahrnehmung mit der Haut verwendet werden. Für Ersteres sind vor allem Alterungsprozesse, Ohrenentzündungen, aber auch übermäßige Lärmbelästigung verantwortlich. Ebenso wie bei der Blindheit, kann zwischen angeborener und erst auftretender Gehörlosigkeit unterschieden werden. Ursache ist häufig, dass die Schallwellen nicht mehr durch die Sinneszellen in Nervenreize übersetzt werden können. Laut WHO sind etwa ein Drittel der über 65-Jährigen schwerhörig – genaue Zahlen gibt es in Deutschland jedoch nicht.

Taubheitsgefühle, also die fehlende Wahrnehmung von Hautstellen, sind ebenfalls auf Nervenprobleme zurückzuführen und können den Sensibilitätsstörungen zugeordnet werden. Beispielsweise können Operationen oder ein Schlaganfall als Ursache gelten. Die Gründe sind dabei vielfältig: von Verletzungen über Druckschädigungen bis hin zu Stoffwechsel- und Durchblutungsstörungen ist alles dabei. Sogar psychische Ursachen können vom Kribbeln der Haut bis hin zu Taubheitsgefühlen führen. Die gestörten Nervensignale können dauerhaft oder nur zeitweise ihre Funktion verlieren und sind zum Teil therapierbar. Generell sind komplett geschädigte Nerven des zentralen Nervensystems, also des Gehirns und des Rückenmarks, häufig nicht regenerierbar, da diese kaum nachwachsen. Alternativ ist es möglich, Nerven durch moderne Medizin »zusammenzuflicken« und dadurch ihre Funktion zum Teil oder komplett wiederherzustellen. Anders sieht es mit Nerven des peripheren Nervensystems, beispielsweise in den Armen und Beinen, aus. So ist es also bei einem tiefen Schnitt deutlich wahrscheinlicher, dass die Nerven sich wieder ausbilden, als wenn eine Verletzung an der Wirbelsäule vorliegt. Solche Nervenschädigungen sind Forschungsgegenstand der Neurophysiologie.

Der Ausfall von Geruchs- und Geschmackssinn sind noch einmal neu ins Bewusstsein durch die Covid-Infektionen geraten. Während andere Sinne die Lebensqualität erheblich verschlechtern, kann man auf die beiden genannten Sinne am ehesten verzichten. Insbesondere, da sich diese zu den subjektiveren Empfindungen zuordnen lassen.

Grundsätzlich sind fehlende Sinne, ob auf Zeit oder dauerhaft, eine persönliche Belastung für Menschen – insbesondere, wenn diese soziale Interaktionen betreffen. Zahlreiche Organisationen setzen sich deshalb für eine Sensibilisierung von Einschränkungen der Sinne ein. Viele Menschen haben Berührungsängste vor Personen mit Einschränkungen: die Angst vor dem Unbekannten sowie Fehler im eigenen Verhalten zu machen, schreckt ab.

Dass fehlende Sinne ausgeglichen werden können, veranschaulichen Beispiele aus der Natur: Blinde Löwen, Vögel, denen Füße fehlen oder taube Katzen, die trotzdem mitten im Leben stehen. Solche Tiere haben es sicherlich schwerer als ihre Artgenossen – manche von ihnen schaffen es vielleicht gar nicht. Trotzdem zeigen auch solche Beispiele, was alles möglich ist. Zurück zu unserem Balkonbesuch von Anfang: Es ist klar, dass uns alle Sinne wichtig sind und jeder einzelne Verzicht oder Einschränkung unangenehm ist. Wie immer kann die heiße, gut duftende und lecker schmeckende Kaffeetasse sowohl »halb voll« als auch »halb leer« sein.

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