(Fast) nicht getragen – Konsequenzen von Konsum

Immer besser, immer neuer. Mehr, mehr, mehr.
Unsere Gesellschaft wird konstant schnelllebiger und so auch unsere Mode. Gab es früher nur vier Kollektionen im Jahr, so launchen die großen Modeketten heute bis zu 52 Mikrokollektionen.
Für jede Woche des Jahres eine Neue. Insgesamt landet die Menschheit mit diesem Tempo bei 120 Milliarden neu produzierten Kleidungsstücken pro Jahr. Dass dieses Vorgehen nicht tragbar für die Umwelt sein kann, ist jedem klar, doch was er genau bedeutet meistens nicht.

von Sara Harbrecht

Wer kennt es nicht? Man ist in der Stadt unterwegs und entdeckt im Schaufenster ein Kleidungsstück, das einem richtig gut gefällt. Braucht man es? Fraglich. Haben möchte man es aber trotzdem.

Die Fast Fashion Industrie boomt, denn durch das ständig wechselnde Angebot an großen Mengen von Kleidung zu billigen Preisen, bildet sie das ideale Geschäftsmodell für die heutige schnelllebige Welt. Doch bildet sie auch gleichzeitig das Problem, denn genau dieses System resultiert in 90 Millionen Tonnen Textilmüll pro Jahr. Das meiste davon wird verbrannt, auf Mülldeponien gebracht oder in Entwicklungsländer verschifft.

Die Textilindustrie gehört mit zu den umweltschädlichsten Industrien, die es gibt. Geschätzt macht sie zwischen 17-20 Prozent der globalen Wasserverschmutzung aus, weil giftige Farben und Chemikalien im Wasser landen, sowie zehn Prozent der Kohlenstoffemission. Laut den Vereinten Nationen produziert sie mehr klimaschädliches CO2 als alle Flug- und Schifffahrten zusammen.

Auch die enorm schlechten Arbeitsbedingungen für Näher*innen sprechen dafür, dass sich in der Industrie etwas ändern muss. Um die Klamottenpreise so gering halten zu können, wird die Produktion der Klamotten in sogenannte LMICs (Low and Middle Income Countries) ausgelagert. Hier herrschen meist sehr schlechte und unsichere Arbeitsbedingungen. Das Unglück bei einem Einsturz einer Näherei in Bangladesch im Jahr 2013, bei dem 1 134 Menschen starben und rund 2 500 Menschen verletzt wurden, ist wohl das bekannteste Mahnmal an die katastrophalen Arbeitsbedingungen, die in den Fabriken der Fast Fashion Ketten herrschen.

Und für welchen Preis? Billige Kleidung wird im Schnitt nur sieben- bis achtmal getragen, bevor sie aussortiert wird. Dazu kommt, dass die meisten Klamotten nicht mehr aus natürlichen Fasern hergestellt werden. Die heute meist verwendeten künstlichen Fasern brauchen 200 1 000 Jahre, um zu zersetzen, eine enorme Zeitspanne für einen so kurzen Nutzungszeitraum. Besonders Mikrofasern betreffen den Menschen hier direkt, denn diese sind laut neuester Forschung nicht nur durch den Konsum von Fisch, sondern auch durch das Trinkwasser, schon längst Bestandteil unserer Nahrungskette.

Durch die immer lauter werdende Kritik finden die großen Fashionmarken immer mehr Wege, um sich als nachhaltig darzustellen. Ein Beispiel hierfür ist das Versprechen einer Kreislaufwirtschaft mit der Möglichkeit, alte Klamotten direkt in den Geschäften in Altkleiderbinnen zu geben. Als Belohnung für den Schutz der Umwelt bekommt der Verbraucher Gutscheine oder Rabatte für den nächsten Einkauf. Doch was passiert mit den alten Klamotten?

Egal, ob direkt im Geschäft oder in öffentlichen Altkleidercontainern abgegeben, der Großteil der Klamotten landet in Sortierbetrieben. In diesen wird die Kleidung in verschiedene Kategorien unterteilt, nämlich ob man sie weiterverkaufen kann oder nicht. Fast Fashion Klamotten lassen sich durch ihre schlechte Qualität meist nicht mehr weiterverkaufen. Deswegen ist es auch denkbar, dass es zukünftig nicht mehr die Option geben wird, Kleidung umsonst abzugeben. Denn durch den Weiterverkauf der alten Klamotten refinanziert sich das System. Stehen aber immer weniger Klamotten zum  Verkauf zur Verfügung, wird eine Finanzierung bald nicht mehr möglich sein.

Etwa 40-60 Prozent der Klamotten, die nicht mehr für den deutschen Markt brauchbar sind, werden ins Ausland exportiert.

Ein großer Teil der Kleidung kommt nach Osteuropa, besonders in Länder wie Polen, Bulgarien oder Rumänien. Doch auch hier kann Kleidung schlechter Qualität nicht mehr weiterverkauft werden. Die Klamotten müssten eigentlich in speziellen Verbrennungsanlagen kostenpflichtig verbrannt werden, jedoch wird die Kleidung auch illegal an die ärmere Bevölkerung weiterverkauft. Diese nutzt die alten Klamotten zum Heizen, was jedoch schädliche Stoffe erzeugt und freisetzt, wie etwa Stickoxide, die gesundheitsgefährdend und krebserregend sind und zu Lungeninfektionen, sowie Stressreaktionen des Immunsystems führen können.

Ein weiterer Teil der Kleidung geht nach Afrika. Hier werden die Klamotten jedoch nicht verschenkt, sondern ebenfalls verkauft. Rund 160 000 Menschen verdienen mit dem Verkauf der Second Hand Kleidung ihr Geld.

Durch die importierte Fast Fashion werden lokal hergestellte Produkte vom Markt gedrängt, da diese nicht so günstig verkauft werden können wie die Billigmode. Die ostafrikanische Gemeinschaft hat sich deswegen auf einen vollkommenen Importstopp von Altkleidern geeinigt, um die eigene Textilproduktion zu fördern. Dieser sollte von 2016 bis 2019 anhalten. Schnell focht jedoch die USA das Abkommen an, da sie es als Behinderung des Freihandels sah und drohte damit, den Abkommensländern die zollfreien Exporte von Bekleidung auf den US-Markt im Rahmen des African Growth and Opportunity Acts zu verbieten. Erkennbar ist bei dem System die Machtausnutzung wirtschaftsstarker Nationen, die durch das Geschäftsmodell der Fast Fashion auf afrikanische Länder angewiesen sind, und ihnen deswegen das Recht auf saubere und sichere Lebensbedingungen nehmen. Denn das enorme Kleidervolumen hat keinen Platz mehr auf den offiziellen Mülldeponien, weswegen sich Kleiderberge auch in den Dörfern und an Flüssen ansammeln. Während der Regenzeit werden die Klamotten dann in den Indischen Ozean gespült. Auch in Afrika werden Klamotten verbrannt.

Nun wurde eine Seite der Nachhaltigkeitsversprechen von Unternehmen angesprochen, doch es gibt noch eine weitere: Neue Kleidung, die aus recycelten Klamotten und Material hergestellt wird. Doch hier gibt es leider ein Problem, denn nicht einmal ein Prozent an alten Klamotten wird zu neuen Textilfasern recycelt. Das ist nämlich erstens gar nicht so leicht, und zweitens mit Kunstfasern auch nicht möglich. Bei Naturfasern werden die alten Stoffe zerrissen, bis sie wie Watte aussehen. Dann wird ihnen bis zu 80 Prozent an neuer Baumwolle hinzugefügt, um daraus einen neuen Garn zu spinnen. Nur leider sind solche Garngemische von sehr schlechter Qualität. Bei künstlichen Fasern ist dies noch nicht einmal möglich. Hier bleibt meist nur das Verbrennen übrig.

Doch was kann nun gegen diese schädlichen Praktiken getan werden? Seit März 2022 gibt es eine EU-weite Textilstrategie, die sich zum Ziel gesetzt hat, die in der EU verkauften Textilien langlebiger, reparierbar und recycelfähig zu machen. Auch gefährliche Chemikalien sollen verboten und Arbeitsbedingungen verbessert werden. Zudem sollen Textilhersteller mehr in Verantwortung gezogen werden und mit Sanktionen rechnen müssen, sollten sie überproduzieren oder unverkaufte Ware vernichten. Diese Strategie soll bis 2030 umgesetzt werden, in welchem Maß ist jedoch noch nicht absehbar.

Als wichtige Orientierungshilfe für Konsument*innen werden auch Siegel geboten, die einen gewissen Standard versichern. Doch aufgepasst, denn manche Marken erfinden einfach Siegel, um eine bessere Außenwirkung zu erzielen. Trotzdem sind Siegel wichtig. Greenpeace empfiehlt hier besonders die Siegel GOTS (Global Organic Textile Standard) und das IVN Best vom Internationalen Verband für Naturtextilwirtschaft. Beide Siegel kontrollieren die Herstellungskette, und auch Risikochemikalien sind verboten. Weitere Siegel sind das Fairtrade-Siegel oder das der Fair Wear Foundation.

Ein relativ neues Siegel ist der ‚Grüne Knopf‘ vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Dieses stellt soziale und ökologische Kriterien, wie etwa die Einhaltung von Arbeitszeiten, der Auszahlung von Mindestlöhnen und dem Verbot von gefährlichen Chemikalien und Weichmachern. Im Sommer 2022 soll die noch anspruchsvollere Version ‚Grüner Knopf 2.0‘ kommen.

Man sieht also: auch Verbraucher*innen können etwas gegen die schlechten Umstände der Fast Fashion Industrie unternehmen. Eine wichtige Bewegung, die sich hier herausgebildet hat, ist die Slow Fashion Bewegung, die sich für den nachhaltigen und bewussten Konsum von Kleidung einsetzt. Beispielsweise etwa durch den Kauf von hochwertiger und nachhaltig produzierter Kleidung, die länger hält oder durch Upcycling. Ein äußert profitabler Trend der Bewegung ist auch der des Second Hand Shoppings. Laut der Boston Consulting Group sollen in dieser Branche bis zu 36 Milliarden Dollar Umsatz gemacht worden sein.

Jedoch ersetzt die Slow Fashion Bewegung die Fast Fashion Industrie noch lange nicht, sondern ergänzt sie bisher nur. Die Rückkehr von Fast Fashion zur Slow Fashion ist somit nicht absehbar, aber äußerst wünschenswert.

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