Schicksal oder Zufall? Chemie der Liebe
Glücksfall oder Bestimmung – das ist eine Frage, die sich möglicherweise das ein oder andere Paar mit Blick auf den/die eigene*n Partner*in stellt. Verliebt man sich in das Gegenüber auf Grund dessen Persönlichkeit oder spielen biochemische Faktoren die entscheidende Rolle? Wie tief genetische und instinktive Faktoren in die Partnerwahl von Menschen greifen, soll dieser Artikel beleuchten.
von Kate Becher
EINIGE GRUNDANNAHMEN
Zuallererst, bevor es thematisch in die Tiefen der Botenstoffe, Hormone, Gerüche und des Immunsystems gehen soll, muss betont werden, dass »Liebe« ein Begriff ist, der stark kulturell konnotiert ist und man deswegen einige Vorannahmen treffen muss, wenn man objektive Erkenntnisse erlangen möchte. Ein sehr emotionales Thema, in das nahezu alle Menschen involviert sind, nüchtern und sachlich zu betrachten, ist eine große Herausforderung. Wissenschaftliche Diskussionen können leicht durch vorgefertigte Meinungen gestört werden. Allein schon die Frage, was erforscht wird und was nicht, hängt von den Interessen und der kulturellen Prägung der Wissenschaftler*innen ab. Ob Wissenschaft und Liebe komplette Gegensätze sind, soll im Laufe des Textes geklärt werden: Ist es möglich, ein mysteriöses Gefühl messbar und quantifizierbar zu machen?
LIEBE ALS GESELLSCHAFTLICHES PHÄNOMEN
Dass Liebe ein vorherrschendes Konzept in der Gesellschaft ist, lässt sich beispielsweise aus den unzähligen Liedern und Romanen ableiten, die sich zu großen Teilen um diese Thematik drehen. Besonders bekannte Ideale sind etwa, dass Liebe unendlich, bedingungslos und nur den wichtigsten Menschen vorbehalten ist. Diese Behauptungen werden von Wissenschaftler*innen widerlegt, die davon ausgehen, dass das Gefühl an bestimmte Bedingungen gebunden ist und sich dynamisch verändern kann.
Es wird vermutet, dass Menschen diese Vorstellung aufgrund des Hormons Adrenalin entwickelt haben. Dieses wird vor allem in der Phase der anfänglichen Verliebtheit aus dem Nebennierenmark ausgeschüttet und wirkt direkt auf den Puls. Herzflattern, wenn der/die potenzielle Partner*in in der Nähe ist oder sogar, wenn man an die Person denkt, ist ein bekanntes Symptom der Verliebtheit. Das Herz ist als Sitz des Liebesgefühls spürbar und gilt deswegen in vielen Kulturen bis heute als Symbol dafür. Wissenschaftler*innen können das Gefühl von «Schmetterlingen im Bauch« durch eine Vielzahl an Hormonen, die im Körper während dieser Phase wirken, erklären.
LIEBE ALS HORMONCOCKTAIL
Das Hormon Dopamin sorgt im Gehirn dafür, dass wir Vorfreude und ein belohnendes Glücksgefühl empfinden. Das Molekül ist ein wichtiger Bestandteil des Liebesgefühls. Dopamin wird in Zusammenhang mit Motivation und Antrieb gebracht – eine Verhaltensweise, die typisch für frisch verliebte Paare ist. Ob es die Planung eines Ausflugs oder das Aufräumen der Wohnung ist, Liebe sorgt dafür, dass Menschen sich besonders gut aufrappeln können. Die Wirkung von Dopamin wird häufig mit Drogen verglichen, die ganz ähnlich auf das Belohnungssystem im Gehirn wirken. Ein Beispiel dafür ist Kokain: Starke Entzugserscheinungen sind herkömmlich, wenn die Droge abgesetzt wird. Gleichsam haben Menschen ähnliche Gefühle, wenn der/die Partner*in entweder länger nicht anwesend ist oder die Gefühle nicht erwidert. Der Begriff des „gebrochenen Herzens“ beschreibt einen »Liebesentzug«. Tatsächlich gibt es ein Broken-Heart-Syndrom, welches eine verminderte Leistung des kardiovaskulären Organs nach emotionaler Belastung beschreibt.
Oxytocin, auch als Kuschelhormon bekannt, wirkt verstärkt später in einer Partnerschaft, wenn sich eine vertrauensvolle Basis zwischen zwei Menschen gebildet hat. Beispielsweise ist der Botenstoff beim Sex wichtig, aber auch bei der Geburt und der anschließenden Bindung zwischen Mutter und Kind.
WAS IST LIEBE?
Liebe zu definieren, stellt sich als besonders schwierig dar, da es sich um ein sehr persönliches Gefühl handelt, welches von Mensch zu Mensch unterschiedlich subjektiv wahrgenommen wird. Grundsätzlich wird es von uns Menschen als eine der positivsten Empfindungen eingeordnet und beschreibt eine einzigartige Wahrnehmung gegenüber eines anderen Individuums. Der/die Partner*in wird als wichtigster Mensch im eigenen Leben empfunden. Dass es sich bei den Begriffen »Liebe«, »Partnerschaft « und »Sexualität« um unterschiedliche Formen menschlicher Begegnungen handelt, die jedoch fließend ineinander übergehen, erschwert die punktgenaue Beschreibung zusätzlich.
Liebe wird in diesem Text als evolutionäres Konzept betrachtet, das eine entscheidende Rolle dabei spielt, optimale Bedingungen zur Fortpflanzung zu schaffen. So ist die Annahme von Wissenschaftler*innen, dass Liebe ein Mechanismus ist, der dafür sorgt, dass Paare nach der Geburt zusammen bleiben, um sich gemeinsam um den Nachwuchs zu kümmern. Das Überleben der Spezies Mensch soll gesichert werden. Während in der Tierwelt Neugeborene in der ersten Stunde bereits laufen können, dauert dieser Prozess bei menschlichen Babys etwa ein Jahr. Man spricht von der physiologischen Frühgeburt, da Babys stark von ihren Eltern abhängig sind und nicht auf sich allein gestellt überleben können. Grund dafür ist, dass das Gehirn, und damit der Kopfumfang, sich im Laufe der Evolution erhöht hat und im Vergleich zur Tierwelt überdurchschnittlich groß ist. Dieser Umstand erfordert eine Geburt des Kindes bevor dieses vollständig entwickelt ist, da der Kopf sonst zu groß für das weibliche Becken werden würde. Deswegen ist eine lange und intensive Betreuung des Säuglings bis ins Kleinkindalter notwendig. Laut der evolutionären Psychologie ist die romantische Liebe ein Puzzleteil, um die menschliche Spezies zu sichern.
Biopsychologin Beate Ditzen von der Universität Zürich kritisiert an solchen Theorien, dass Verhaltensweisen aus der Vergangenheit hergeleitet werden, die sich jedoch über die Zeit verändert haben und deswegen nicht nachgeprüft werden können. Heutzutage gibt es zahlreiche alleinerziehende Eltern, die nicht nur durch den/die Partner*in, sondern auch durch die Gesellschaft Unterstützung erhalten können.
WAS MACHT ATTRAKTIV?
Bei der Attraktivitätsforschung, einer wissenschaftlichen Teildisziplin, geht es darum, was dafür sorgt, dass sich zwei Menschen zueinander hingezogen fühlen: Dabei spielen sowohl optische, aber auch eine Vielzahl anderer Reize eine Rolle. Beispielsweise werden im westlichen Raum eine lange Gesichtsform, volle Lippen und eine kleine Nase als besonders attraktiv bewertet. Wichtig ist jedoch, dass die positive oder negative Wahrnehmung des Gegenübers subjektiv bleibt.
Besonders bemerkenswert bei diesem Thema ist, dass sich durch den Zyklus der Frau der Hormonspiegel in ihrem Körper verändert und damit auch das, was sie an Männern attraktiv findet. Forscher*innen haben durch Experimente gezeigt, dass Frauen während ihren fruchtbaren Tagen eher dazu bereit sind, bei charakterlichen Aspekten Kompromisse einzugehen, um ausgesprochen männlich konnotierten Erscheinungsbildern den Vortritt zu lassen. In diese Kategorie fallen vor allem markante Gesichtszüge und eine tiefe Stimme. Evolutionsforscher*innen mutmaßen, dass solche Eigenschaften von Frauen als besonders attraktiv empfunden werden, da sie mit potentiell kräftigen und gesunden Nachkommen assoziiert werden. An weniger fruchtbaren Tagen zeigen Frauen die genau gegensätzliche Vorliebe: Sanftere Männer mit weicheren Gesichtszügen werden als ansprechend eingeschätzt.
Charakterliche Eigenschaften wie Intelligenz und die Fähigkeit gemeinsam gute Gespräche zu führen, ist eine Komponente, die sicherlich mit zunehmender Entwicklung des Menschen an Relevanz gewonnen hat. Zusätzlich ist die Frage, ob es auch eine biologische Kompatibilität gibt, die dafür sorgt, dass sich nur Menschen ineinander verlieben, die genetisch kompatibel sind.
F Ü R E I N A N D E R BESTIMMT?
Dass nicht nur optische und charakterliche Eigenschaften bei der Partner*innenwahl zählen, ist für viele Wissenschaftler*innen schon länger klar. Im Tierreich, beispielsweise bei Mäusen, spielt der Geruchssinn eine übergeordnete Rolle: Durch diesen können sie die genetische Kompatibilität erschnüffeln und sorgen so für einen vielfältigen Genpool der Nachkommen. Besonders geeignet ist das Gegenüber, wenn sich die DNA möglichst stark von der eigenen unterscheidet: Dann haben die Nachkommen tendenziell ein gutes Immunsystem.
Dass unterbewusste Faktoren auch beim Menschen relevant sind, legen Volksweisheiten, wie das Sprichwort »sich nicht riechen können«, nahe. Auch wissenschaftlich wurde solch ein Phänomen untersucht: Frauen, die an getragenen T-Shirts von Männern schnupperten, bewerteten vor allem die Kandidaten als attraktiv, die das oben beschriebenen Gen-Profil besaßen. Wie relevant der Geruchssinn jedoch tatsächlich bei der Partner*innenwahl ist, bleibt umstritten. Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass das Phänomen in der Tierwelt deutlich entscheidender ist, als es beim Menschen der Fall ist. Die persönliche Duftnote des Gegenübers kann also als Anhaltspunkt für eine*n potentielle*n Partner*in gedeutet werden, andere Aspekte überwiegen jedoch häufig. Charakterliche Eigenschaften wie Intelligenz und die Fähigkeit gemeinsam gute Gespräche zu führen, ist eine Komponente, die sicherlich mit zunehmender Entwicklung des Menschen an Relevanz gewonnen hat.
VORSICHT MIT VORSCHNELLEN VEREINFACHUNGEN:
Wie in vielen Lebensbereichen sind vereinfachte Grundprinzipien und Theorien nur ein Ausschnitt aus der Realität. Beispielsweise spielen beim Prozess des Verliebens enorm komplexe kulturelle Aspekte eine Rolle, die in diesem Text vernachlässigt wurden. Sicherlich sind auch persönliche Erfahrungen und individuelle Unterschiede sowie Vorlieben relevant. Zusätzlich sind manche wissenschaftliche Ergebnisse unter Forschenden umstritten: Die Wissenschaftsphilosophie und Evolutionspsychologie weisen nicht selten konträre Ansätze auf. Erstere setzt häufig einen Schwerpunkt auf kulturelle Aspekte, während die Zweitere sich auf instinktive Verhaltensmuster spezialisiert, um Verliebtheit zu erklären.
Wie anpassungsfähig die Vorstellung des Traumpartners/ der Traumpartnerin sein kann, zeigen Experimente: Es wurde festgestellt, dass Frauen zwar verstärkten Wert auf den Status eines Mannes legen, sich der geäußerte Wunsch über Eigenschaften des/der Partner*in in vielen Fällen aber nicht mit der tatsächlichen Wahl des Gegenübers deckt. Menschen sind also kompromissbereit und idealisierte Vorstellungen werden gerne abgelegt, wenn das Gesamtpaket eines Menschens stimmt.
Die Leidenschaft und Liebe bleiben, zumindest in einigen Bereichen, weiterhin ein Mysterium.
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