Faszination Glücksrad: Von der Antike bis in die Moderne
Die meisten haben schon davon gehört, viele haben damit vermutlich schon einmal gespielt: Dem Glücksrad. Wir kennen es von Jahrmärkten oder vielleicht aus der nach ihm benannten Fernsehshow aus dem Jahr 1988, sowie vom Remake, das zwischen 2016 und 2018 ausgestrahlt wurde. Doch seine Anfänge hat das Rad in der Antike. Dieser fast 2000 Jahre andauernden Faszination um ein Rad lohnt es genauer auf den Grund zu gehen.
von Sara Harbrecht
DIE NAMENSGEBERIN: FORTUNA
Der Grund für die Existenz des Glücksrads ist die römische Göttin Fortuna, die in der römischen Mythologie die Göttin der Fruchtbarkeit, des Glücks und des Schicksals war. Zu ihren Attributen gehörten deswegen ursprünglich nicht das Rad, sondern das Füllhorn sowie eine Kugel.
DAS RAD DER FORTUNA
Erstmals schrieb der römische Philosoph Boëthius der Fortuna das Rad zu. Er sah sie als eine Gehilfin der Göttin Providentia, welche die göttliche Vorhersehung des Kaisers repräsentierte. Dieser war wiederum das Fatum, das Schicksal, unterstellt, als dessen Werkzeug Fortuna gesehen wurde. Das Rad diente dem Spiel der Fortuna mit dem Schicksal der Menschen. Doch nach dem Zerfall des römischen Reiches nahm auch das Ansehen der römischen Götter ab. Das nun christlich geprägte Europa sah die Antike als heidnisch an und dämonisierte und allegorisierte viele der antiken Helden und Götter. Auch Fortuna fiel diesen Dämonisierungen zum Opfer, die besonders von den Kirchenvätern ausging. Fortuna wurde als eine Art hexenhafter Dämon gesehen. Die ersten Darstellungen der Fortuna mit Rad stammen aus dem 11. Jahrhundert, im späten 12. Jahrhundert vermehrten sich Bilder von Königen, die auf dem Rad der Fortuna rauf und runter transportiert wurden, wobei sie den Weg nach unten fielen. Diese Darstellungen lösten in der Forschung die verschiedensten Theorien über den Gebrauch des Rades aus. Manche waren der Meinung, dass mit dem Rad der Auf- und Abstieg in der Gesellschaft symbolisiert werden sollte. Da es aber kaum Berichte über solch extreme Fälle gibt, die einen solchen plötzlichen Sturz von Königen in dieser Zeit belegen, wurde diese Theorie als unwahrscheinlich abgetan. Viel eher kam man zu dem Schluss, dass das Rad den Gewinn und den Verlust von Glück darstellen soll, also etwa, ob ein König einen Kampf gewinnen wird oder eben nicht.
FORTUNAS WANDEL
Im Laufe des Mittelalters änderte sich Fortunas Bild von einem hexenhaften Dämon zu einem fast engelsgleichen Wesen, das Gott dient. Da nach christlicher Auffassung Gottes Plan für den Menschen verborgen bleibt, wurde Fortuna als Ausdruck des Unvorhersehbaren und für den Menschen unbegreiflichen Willen Gottes gesehen. Zudem sollte sie dem Menschen durch diese Unvorhersehbarkeit aufzeigen, wie nichtig und vergänglich die irdische Existenz und ihre Güter sind. Denn durch den Dreh des Rades konnte man sie schnell wieder verlieren. Im 16. Jahrhundert, und somit der Zeit des Humanismus, wandelte sich Fortunas Bild erneut, da man sich in dieser Zeit wieder mehr auf die Antike berief. Fortuna und ihr Rad wurden als glückliche und unglückliche Zufälle gesehen, die man ausnutzen, aber denen man nun auch ausweichen konnte, da man an die Fähigkeit des Menschen glaubte, eigenständig zu handeln.
ERSTE BAUVERSUCHE
Erste Bauversuche des Rades gab es bereits um das elfte Jahrhundert. Eingesetzt wurden die Räder überwiegend im kirchlichen Bereich als Mahnmal für die Vergänglichkeit der menschlichen Güter. Aus einem Bericht des Bischofs Balderich von Dol ergibt sich beispielsweise, dass in der Kirche des Klosters von Fiscanum ein solches Rad stand, das sich ununterbrochen drehte. Auch in Fensterbildern aus Kirchenbauten dieser Zeit taucht das Rad der Fortuna auf. Ebenfalls Anwendung fand das Rad in Bereichen der kulturellen Unterhaltung, da Fortunas Rad über das gesamte Mittelalter hinweg Motiv in Literatur und Kunst war. Die zu der Zeit geschriebenen und aufgeführten Dramen hatten somit
ebenfalls Bedarf für den Bau des Rades. Teil dieser waren unter anderem Kurbelsysteme, die man aus dem nicht sichtbaren Teil der Bühne bedienen konnte und das Rad sich somit scheinbar von alleine bewegte. Auch wurden Plattformen an den Drehpunkten des Rades angebracht, sodass sich die Schauspieler*innen auf das Rad setzen konnten.
DAS GLÜCKSRAD HEUTE
Im Laufe der nächsten hundert Jahre hat sich das Glücksrad immer weiter im Unterhaltungsbereich ausgebreitet, auf vielen Jahrmärkten lassen sich mit dem Dreh des Glücksrads Preise gewinnen. Zudem hat es das Glücksrad 1975 ins US-amerikanische Fernsehen geschafft: Die Show „Wheel of Fortune“ gibt es bis heute. Auch in Deutschland gab es die Sendung „Das Glücksrad“ von 1988 bis 2002, mit einem Remake von 2016 bis 2018. Auch wenn sich die Umstände um das Glücksrad in seiner fast 2000 Jahre alten Geschichte verändert haben, konnte es sich immer in den Köpfen der Menschen halten, ohne einen kompletten Bedeutungsumbruch zu erfahren: Denn auch heute noch „bestimmt” die Drehung des Glücksrads über Glück oder Unglück der Menschen.
* ALLEGORIE
Mit »Allegorie« oder »allegorisieren« ist die verschleierte Ausdrucksweise eines Sachverhaltes gemeint. Der Sachverhalt wird also nicht genau benannt oder erklärt, sondern stattdessen tritt ein konkretes Objekt oder eine Person an dessen Stelle. So wurde beispielsweise aus der griechischen Göttin Aphrodite eine Allegorie für die Liebe.
Herausgeber
fuks e.V. – Geschäftsbereich Karlsruher Transfer
Waldhornstraße 27, 76131 Karlsruhe transfer@fuks.org
Urheberrecht:
Alle Rechte vorbehalten. Die Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigungen jeglicher Art sind nur mit Genehmigung der Redaktion und der Autoren statthaft. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Der Karlsruher Transfer erscheint einmal pro Semester und kann von Interessenten kostenlos bezogen werden.