Eine Schatzsuche – Persönliche Ressourcen und wie man sie findet

Wir leben in einer Welt voller Dynamik und zunehmender Komplexität: Sicher geglaubte Sachverhalte und Anforderungen ändern sich ständig und Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge sind zunehmend schwerer zu durchschauen. Die natürlichen Ressourcen werden knapper, Einschränkungen und neue Wege erforderlich. Konkurrenz-, Zeit- und Leistungsdruck nehmen zu. Was helfen kann, um mit diesen – um mit den meisten Herausforderungen umzugehen, ist, die individuellen Ressourcen in den Blick zu nehmen. Wer sich dieser bewusst ist, kann leichter alternative Wege finden, Probleme bewältigen und Zufriedenheit finden.

WARUM WIR UNS MIT RESSOURCEN BESCHÄFTIGEN SOLLTEN

Wenn in diesem Artikel von Ressourcen die Rede ist, so sind damit all jene Dinge und Nicht-Dinge gemeint, die einem Menschen helfen, den Alltag – aber auch nicht-alltägliche Herausforderungen – zu bewältigen. Sie sind Kraftquellen, aus denen wir schöpfen können und die uns helfen, unsere Bedürfnisse zu befriedigen und unsere Ziele zu erreichen. Wer über mehr Ressourcen verfügt, kann im Allgemeinen Herausforderungen, Rückschläge und Stress besser bewältigen. Sie steigern unser subjektives Wohlbefinden und helfen uns, gesund zu bleiben.

RESSOURCEN UND LÖSUNGSORIENTIERUNG

Die Herausforderung besteht nun darin, die individuellen Ressourcen zu (er)kennen und sie zielgerichtet einzusetzen. Das ist oft leichter gesagt als getan, denn Stress und Probleme können uns regelrecht lähmen und führen oftmals zu einem Tunnelblick, der uns die Sicht auf die verfügbaren Ressourcen und mögliche Lösungen nimmt.

»Nichts ist gefährlicher als eine Idee, wenn man nur eine hat. «
(ÉMILE-AUGUSTE CHARTIER)

Allzu viel Ursachenforschung kann an dieser Stelle hinderlich sein und viel Zeit und Energie kosten, die dann nicht mehr zur Lösungssuche und Problembewältigung zur Verfügung steht. Vor allem da eine »Erklärung« in vielen Fällen allenfalls ein Trostpflaster ist. – Was wir uns jedoch wirklich wünschen, sind Lösungen! Wie können wir also unseren Handlungsspielraum erweitern und neue Lösungsmöglichkeiten erschließen?

Zunächst einmal dadurch, dass wir von einer problemorientierten Sichtweise zu einer lösungs- und ressourcenorientierten wechseln. Wobei es wichtig ist, zwischen lösbaren Problemen auf der einen Seite und unumgänglichen Beschränkungen, wie beispielsweise Vorschriften und Gesetzen, zu unterscheiden. Letztere müssen bei einer Lösungssuche schlicht mit eingeplant werden. Wenden wir uns zunächst der lösungsorientierten Arbeits-, Kommunikations- und Denkweise zu:
Die Lösungssuche steht im Vordergrund, wobei neben einem Fernziel, das die Richtung vorgibt, vor allem die zeitnah erreichbaren Nahziele entscheidend sind. Außerdem gilt es zu klären, was der Status Quo ist, wobei hier der Fokus darauf liegen sollte, was bereits funktioniert. Skalenfragen können hierbei eine große Hilfe sein: Wo stehe ich/stehen wir heute auf einer Skala von eins bis zehn im Hinblick auf die Zielerreichung? Und davon ausgehend: Was ist ein möglicher nächster Schritt in die richtige Richtung? Wie kann einem »Abrutschen« vorgebeugt werden? Wie können die Rahmenbedingungen angepasst werden? Was kann ich/können wir heute (!) tun, um ein Stück voran zu kommen? – Ausgehend von den Antworten auf diese Fragen sollte es inkrementell vorwärts gehen: Wenn etwas funktioniert – mehr davon! Führt eine Strategie nicht zu den gewünschten Veränderungen – ersetze sie durch eine neue!

»Wahnsinn ist, immer wieder dasselbe zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.«
(VERSCHIEDENEN PERSONEN ZUGESCHRIEBEN)

Es geht dabei weniger darum, die perfekte Lösung zu entdecken, die in vielen Fällen ohnehin nicht existiert, sondern darum, etwas zu finden, das funktioniert. Schon eine kleine Verhaltensänderung kann helfen, aus eingefahrenen Problemmustern auszubrechen. Oft ist es zudem hilfreich, sich auf das Wesentliche und die eigenen Stärken zu konzentrieren, um sich nicht in Nebensächlichkeiten zu verlieren.

Einen überraschend großen Einfluss hat auch unsere Sprache: Reden wir über das »Warum«, kreisen wir um das Problem und landen nicht selten bei Schuldzuweisungen. Konzentrieren wir uns hingegen auf das »Noch(!)-Nicht«, das »Schon« und das »Wie«, erhalten wir lösungsorientierte Antworten.

Zu einer lösungsorientierten Sprache gehört auch ein positives und konstruktives Selbstgespräch. Allzu leicht werden wir in unserem inneren Dialog zu unserem schärfsten Kritiker, bremsen wir uns durch hinderliche Glaubenssätze wie »ich kann das nicht« selbst aus. Hier ist es hilfreich, sich selbst das Gegenteil zu beweisen, nach den Ausnahmen zu fragen und im Zweifelsfall erst einmal ein »noch« einzufügen – »ich kann das noch(!) nicht« und dann wieder nach den nächsten, gangbaren Schritten zu »ich kann das« zu fragen.

»Ob du glaubst du schaffst es, oder ob du glaubst du schaffst es nicht, du wirst in beiden Fällen recht behalten.«
(HENRY FORD)

ARTEN VON RESSOURCEN UND WIE MAN SIE FINDET

Um ressourcenorientiert handeln zu können, müssen wir uns zunächst einmal bewusst werden, welche Ressourcen uns zur Verfügung stehen. In diesem Abschnitt werde ich daher einige Methoden vorstellen, mit denen du in dieser Hinsicht einen Überblick gewinnen kannst.
Zunächst ist es hilfreich, sich klar zu machen, dass Ressourcen in sehr unterschiedlicher Form auftreten können. Man unterscheidet üblicherweise vier Bereiche:

  1. Als persönliche Ressourcen bezeichnet man all jene »Nicht-Dinge«, die uns ausmachen – zum Beispiel: unsere Ausstrahlung, Charaktereigenschaften, Durchhaltevermögen, Erfahrungen, Fähigkeiten, Gelassenheit, Gesundheit, Lernfähigkeit, Methodenkompetenz, Möglichkeiten zum Ausgleich und zur Emotionsregulation, Motivation, den persönlichen Glauben, unsere Selbstkontrolle und -reflexion, sozialen Fähigkeiten, Stärken, Talente und unser Wissen. Da diese Ressourcen in uns selbst liegen, ist der Zugang zumeist uneingeschränkt möglich.
  2. Mit sozialen Ressourcen sind Beziehungen aller Art gemeint: die zur Familie, zu Freunden, dem Partner oder der Partnerin, zu (Haus-)Tieren sowie die in Vereinen und Gruppen, in denen wir Mitglied sind. Kurzum all jene, in denen wir – im Allgemeinen unentgeltlich – Unterstützung und Wertschätzung erfahren können.
  3. Materielle Ressourcen umfassen Geld und Vermögenswerte, Räume wie unsere Wohnung und die Einrichtung darin, Werkzeuge und Arbeitsmittel inklusive Dingen wie einem Computer oder Smartphone, Fahrzeuge, über die wir verfügen können, Vorräte, Kleidung und solch simple Hilfsmittel wie eine Wärmflasche, Schokolade und Medikamente. Diese Ressourcen müssen wir im Allgemeinen erwerben, leihen oder mieten.
  4. Sozialräumliche, infrastrukturelle und institutionelle Ressourcen sind all jene, die im Allgemeinen einem größeren Personenkreis zugänglich sind und von ihm genutzt werden können – teils entgeltlich, teils kostenlos. Dazu gehören z.B. der ÖPNV, Bibliotheken, das Internet, Dienstleistungen aller Art, Erholungsräume wie Parks, Kulturveranstaltungen und vieles mehr.

Nicht jede Ressource lässt sich eindeutig in dieses Schema einordnen – beispielsweise kann eine sichere Arbeitsstelle je nach Betrachtungsart in verschiedene Kategorien fallen. Dennoch können wir uns anhand dieser Aufstellung einen ersten Überblick verschaffen, den wir mit den nachfolgenden Methoden noch erweitern können:

  • Wollen wir tiefer einsteigen und insbesondere die psychologische Seite betrachten, gibt es eine Reihe von Fragebögen, die helfen können, Ressourcen und deren Nutzung zu erfassen, zum Beispiel das Berner Ressourceninventar, welches online frei verfügbar ist*. Was wir uns hier zudem abschauen können, ist die umfassende Beleuchtung der Thematik durch die Kombination von Selbst- und Fremdbild. Andere können uns helfen, Ressourcen wahrzunehmen, die uns aktuell nicht bewusst sind. Wer lieber allein arbeitet, kann zumindest zirkuläre Fragen nutzen: Was würde XY (dein bester Freund, deine Mutter, dein Vater, …) sagen, was deine Stärken sind und welche Ressourcen dir zur Verfügung stehen?
  • Auch bei einem Ressourceninterview kann es förderlich sein, wenn uns jemand anderes neugierig unterstützt. Dennoch lässt sich auch dieses in Eigenregie durchführen. Ziel ist hier ein intuitiverer, emotionalerer Zugang. Ausgangsfragen können zum Beispiel sein: Was kannst du gut und was tut dir gut? Was sind deine Stärken? Was machst du gerne und wofür kannst du dich begeistern? Was gibt dir Ruhe, Kraft, Sicherheit und/oder Mut? Wo gehörst du dazu und fühlst du dich verstanden? – Sodann geht es darum, immer tiefer in Erinnerungen, Gefühle, Bilder und Erfahrungen einzutauchen und so ressourcenvolle Zustände erneut zu durchleben. (Was habe ich getan? Gedacht? Gesehen? Gehört? Gefühlt?) – Je konkreter das Wiedererleben, desto leichter fällt es zukünftig, die entsprechenden persönlichen Ressourcen erneut zum Einsatz zu bringen. Auch Fotos und andere Aufzeichnungen können Anregungen geben

»Wer mit seinen Stärken arbeitet, wird stärker. «
(INGO KRAWIEC)

  • Auf die Gegenwart bezogen bietet es sich an, ein Ressourcentagebuch zu führen und regelmäßig zu reflektieren. Die vorgenannten Fragen können dazu auf die aktuelle Situation bezogen werden.
  • Eine weitere Möglichkeit besteht darin, systematisch die gesamte Biografie zu durchleuchten, dazu kann das bisherige Leben in ein Diagramm eingezeichnet werden, das die Höhen und Tiefen im zeitlichen Verlauf zeigt. Dies kann für das Leben als Ganzes oder für verschiedene Lebensbereiche (Ausbildung/Beruf/Karriere, Gesundheit/Lebensführung, persönliche Entwicklung, Familie und soziale Kontakte, …) separat erfolgen. Für die Erfolge und Sternstunden gilt es sodann zu analysieren, was sie ermöglicht hat und für die Tiefpunkte und Niederlagen, was dabei geholfen hat, wieder auf die Beine zu kommen.
  • Geht es um eine konkrete Problemstellung, kann es zunächst hilfreich sein, sich zu fragen: Warum ist es nicht noch schlimmer? Gibt es Ausnahmen? Wann tritt das Problem nicht auf? (Hier liegen bereits erste Ressourcen verborgen.) – Und sodann: Welche Ressourcen könnten hilfreich sein? Wo habe ich/haben wir diese Ressourcen bereits genutzt? Und wie können sie reaktiviert oder übertragen werden? Und falls sie aktuell nicht zur Verfügung stehen: Wer verfügt über sie und was kann man sich von diesem Vorbild abschauen? Wie würde er/sie vorgehen?
  • Bonustipp für alle Fans von Listen: ein Ressourcen-ABC. Nimm dir ein Blatt Papier und schreibe die Buchstaben von A bis Z übereinander (X und Y darfst du weglassen). Finde jetzt zu jedem Buchstaben mindestens ein, zwei oder gar drei Ressourcen.

Ich hoffe bei dieser Vielzahl an Methoden waren auch ein paar für dich passende dabei. Für die Suche nach Ressourcen empfiehlt es sich, analytische und intuitive Methoden zu kombinieren. Die kognitive und emotionale Auseinandersetzung verfestigt die mentale Abrufbarkeit der entsprechenden Ressourcen, sodass es uns zukünftig in Akutsituationen leichter fällt, ressourcenorientiert zu handeln.

»Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein werden. «
(JOHANN WOLFGANG VON GOETHE)

VON DEN RESSOURCEN ZUR PROBLEMLÖSUNG
Um langfristig Probleme ressourcenorientiert anzugehen, gilt es die aktuellen und absehbaren zukünftigen Herausforderungen zu identifizieren und ihnen Ressourcen gegenüber zu stellen: Welche Ressourcen werden benötigt? Gibt es Alternativen? Welche wären zusätzlich nützlich und/oder hilfreich? Welche davon sind bereits vorhanden? Und wie können die fehlenden erschlossen werden?

Ausgehend von diesen Anforderungen können dieim vorherigen Abschnitt skizzierten Methoden noch gezielter genutzt werden, um die vorhandenen Ressourcen zu identifizieren. Denn bewusst kann man natürlich nur diejenigen Ressourcen einsetzen, die einem bekannt sind. Sind sie erst einmal bekannt, gilt es, sie zu kultivieren, zu pflegen und zum Einsatz zu bringen. Zur Pflege gehört auch, erweiterbare Ressourcen gezielt zu entwickeln, zum Beispiel indem nützliche Fähigkeiten regelmäßig trainiert werden. Dies ist vor allem deshalb sinnvoll, weil es im Allgemeinen deutlich leichter ist, vorhandene Stärken auszubauen, als neue aufzubauen. – Dennoch kann es zusätzlich notwendig oder wünschenswert sein, neue, zusätzliche Ressourcen zu erschließen. Im einfachsten Fall kann das heißen, bei nicht vorhandenem Wissen um Rat zu fragen, statt weiterhin wie gelähmt vor einem Problem zu stehen – oder bei fehlenden Fähigkeiten, jemanden für die entsprechende Arbeit zu beauftragen. Ist jedoch bereits absehbar, dass Wissen und/oder Fähigkeiten in Zukunft wiederholt benötigt werden und/oder wenn der »Zukauf« institutioneller Ressourcen keine Option ist, gilt es Mittel und Wege zu finden, zum Beispiel durch Weiterbildung und Training die entsprechenden persönlichen Ressourcen zu erwerben.

Zu guter Letzt sei angemerkt und damit kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück, dass einige persönliche Ressourcen – und die sozialen, materiellen und institutionellen ohnehin – begrenzt sind. Es gilt folglich, mit ihnen sinnvoll zu haushalten. Betrachten wir dies am Beispiel persönlicher Energie, ist es ratsam zunächst zu analysieren, was unseren »Akku« auflädt und wohin sie abfließt, wobei noch zu unterscheiden ist zwischen einem produktiven Einsatz und unproduktiven Energieräubern. Davon ausgehend lässt sich gezieltes Energiema-
nagement betreiben. Für viele der anderen Ressourcen können wir analog vorgehen und so den Umgang damit optimieren.

FAZIT

Fassen wir noch einmal zusammen: Wer sich seiner Ressourcen bewusst ist, sie auf- und ausbaut, wartet und pflegt, hat jederzeit einen Pool, aus dem er/sie in Anforderungssituationen schöpfen kann. Der Perspektivwechsel hin zur lösungsorientierten Herangehensweise fällt leichter, sodass proaktives Handeln an die Stelle von reaktivem Troubleshooting treten kann. Daher möchte ich dich einladen, falls du es nicht ohnehin schon getan hast, mit ein oder mehreren der oben vorgestellten Methoden auf Schatzsuche zu gehen und neue und alte Ressourcen zu entdecken.

* Die Fragebögen des Berner Ressourceninventars können hier heruntergeladen werden.

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