«Ich wollte schon immer auf dem Dach eines fahrenden Zuges rennen…»

Kämpfen, stürzen, brennen und von Autos angefahren werden – all das gehört zum Alltag von Christian Petersson. Der gebürtige Schwede arbeitet seit über 20 Jahren als Stuntman und kann mittlerweile auf eine lange Liste von Filmen zurückblicken: Ein Quantum Trost, Inglourious Basterds oder Die drei Musketiere sind hierbei nur einige Beispiele. Uns hat Christian Petersson erzählt, wie er zum Beruf des Stuntmans kam, wie ein typischer Tag am Set aussieht und welche Rolle Angst in seinem Berufsalltag spielt.

das Interview führte Laura Jörger

Wie sind Sie zum Beruf des Stuntmans gekommen?

Ich habe schon als Kind Actionfilme geliebt und wollte Actiondarsteller wie Jackie Chan oder Sylvester Stallone werden, deshalb habe ich mit Kampfsport-Training angefangen. Damals wusste ich aber noch nicht, was ein Stuntman ist. Irgendwann hat ein Stuntman, der gerade aus den USA zurückkam, eine Stuntschule in Schweden eröffnet und dort bin ich dann zu einem Kurs gegangen. Ich habe mich schnell in den Beruf verliebt und mich bei Live-Shows in Freizeitparks beworben.

Welche Arten von Stunts machen Sie?

Mein Fokus liegt auf körperlichen Stunts: Kämpfe, alle Arten von Stürzen, von Autos angefahren werden. Es ist allgemein ein Vorteil, breit aufgestellt zu sein, d. h., man sollte ein bisschen von allem können. Ich habe auch Erfahrung in den Bereichen Reiten oder Auto- und Motorradfahren.

Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?

Die Vielfältigkeit fasziniert mich sehr. Es gibt immer neue Herausforderungen, neue Situationen, neue Orte. An einem Tag kämpft man, am anderen Tag brennt man, an wieder einem anderen Tag stürzt man von einem Dach. Es ist immer etwas Neues und immer herausfordernd. Außerdem trifft man viele interessante und nette Menschen.

Was war Ihr erstes Projekt?

Mein erstes Projekt war eine Westernshow in einem schwedischen Freizeitpark. Dort habe ich verschiedene Stunts gemacht, vor allem Stürze und Kämpfe.

Welcher Job hat Ihnen bisher am meisten Spaß gemacht?

Am meisten Spaß gemacht haben mir die Filme Die drei Musketiere und World War Z. Bei Die drei Musketiere haben wir im Team sehr viel für die Schwertkämpfe trainiert. Ich liebe Fechten und Schwertkampf und in diesem Film durften wir sehr viel davon machen – das war wie ein Kindheitstraum. Bei World War Z war die Größe des Projekts beeindruckend. Es war sehr viel los, es gab viele Stuntleute und Komparsen, es gab viele Sachen, die in die Luft flogen. Auch das Team, mit dem ich dort gearbeitet habe, war einfach toll.

Wie bereiten Sie sich auf eine Stuntszene vor?

Einerseits ist die durchgehende Vorbereitung wichtig. Ich muss regelmäßig trainieren und mich weiterbilden, um meine Fähigkeiten auf einem hohen Niveau zu halten. Dadurch bin ich auf verschiedene Stunts vorbereitet. Zu Beginn der Planung eines spezifischen Stunts informiere ich mich über die Szene, zum Beispiel, indem ich das Drehbuch lese. Dann gehe ich im Kopf durch, wie ich den Stunt ausführen möchte und was ich dafür brauche. Außerdem trainiere ich bestimmte Fähigkeiten, vor allem, wenn es schon ein wenig her ist, dass ich diese gebraucht habe. Bei manchen Projekten habe ich eine längere Vorbereitungszeit, dann wird auch vorher viel geprobt. Bei kleineren Projekten wird auch vorher geprobt, aber meist erst am jeweiligen Drehtag vor Ort.

Wie sieht ein typischer Tag am Set bei Ihnen aus?

Zuerst sprechen wir den Ablauf des Tages und die Szene durch. Dann beginne ich mit den Vorbereitungen; manchmal muss ich mehr aufbauen, manchmal weniger. Außerdem probe ich und suche mir die passenden Protektoren aus. Danach geht es in die Maske – wenn ich als Double gebucht bin, soll ich dem Schauspieler so ähnlich wie möglich sehen. Wenn die Szene gedreht wird, sprechen wir nochmals alles durch und proben sie erneut. Im Anschluss mache ich dann den Stunt oder auch mehrere Stunts – dann liegt ein wenig Zeit dazwischen.

Sind Sie viel auf sich selbst gestellt bzw. können Sie auch viele Dinge selbst entscheiden?

Zum großen Teil ja. Bei einem Projekt gibt es immer einen Stunt Coordinator, der für das Übergreifende verantwortlich ist. Jeder Stuntman hat aber seine eigene Schutzausrüstung. Wenn ich zum Beispiel von einem Auto angefahren werde, dann habe ich eine große Auswahl an Protektoren dabei. Ich suche aus, was für die Szene geeignet ist und was auch mit dem Kostüm zusammenpasst. Wie ein Stunt ausgeführt werden soll, bespricht man vorher, denn es kann sein, dass er auf eine bestimmte Art und Weise gewünscht ist. Dann muss ich sagen: „Ja, das können wir so machen“ oder „Nein, das ist keine gute Idee, weil es so nicht funktioniert“.

Gibt es einen Stunt, den Sie nie machen werden?

Es gibt keinen bestimmten Stunt, der mir hier einfällt. Grundsätzlich würde ich nie etwas machen, was nicht innerhalb meiner Fähigkeiten liegt. Es ist sehr wichtig, sich richtig einschätzen zu können und nein zu sagen, wenn man etwas nicht kann.

Gibt es einen Stunt, den Sie noch machen wollen, bisher aber nicht gemacht haben?

Ja, auch wenn es kein großer oder spektakulärer Stunt ist. Ich wollte schon immer auf dem Dach eines fahrenden Zuges rennen und von Waggon zu Waggon springen, wie in alten Westernfilmen. Dazu hatte ich noch nie die Gelegenheit.

Spielt Angst in Ihrem Beruf eine Rolle?

Angst an sich ist gefährlich. Es ist wichtig, dass man keine Angst hat, wenn man einen Stunt ausführt. Man muss aber Respekt haben – auch wenn ich vorbereitet bin und Schutzmaßnahmen ergreife, ist immer ein Restrisiko da, dass etwas schiefgehen kann, vor allem wenn man nicht fokussiert ist. Ein bisschen Nervosität und Respekt ist wichtig. Wenn man aber Angst hat, sollte man den Stunt abbrechen. Meiner Erfahrung und der Erfahrung vieler Kollegen nach passieren die meisten Verletzungen bei relativ einfachen Stunts. Der Grund ist häufig, dass man zu wenig nervös ist oder zu wenig Respekt davor hat, weil man denkt, dass es sehr leicht ist. Man entspannt sich zu viel und unterschätzt den Stunt.

Hatten Sie schon einmal einen größeren Unfall in Ihrem Job?

Zum Glück hatte ich noch keinen größeren Unfall. Das Schlimmste in 21 Jahren war eine gebrochene Rippe. Kleine Schrammen, blaue Flecken, Schnittwunden oder Brandwunden kommen immer wieder vor, aber bisher nie etwas Größeres. Das ist aber nicht nur Glück, sondern es kommt auch wieder darauf an, sich selbst einschätzen zu können. Es kann natürlich immer etwas schiefgehen und das passiert auch manchmal, aber es minimiert das Risiko erheblich, wenn man sich gut einschätzen kann.

Was war der gefährlichste Stunt, den Sie bisher gemacht haben?

Das ist keine einfache Frage, obwohl sie mir schon häufiger gestellt wurde. Ich habe mal einen Stunt gemacht, bei dem ich auf einem Fahrrad fuhr und frontal mit einem fahrenden Auto kollidierte. Ich bin dann über das Auto geflogen und auf dem Boden gelandet. Das war für eine belgische Serie, ungefähr vor zehn Jahren. Aber auch dort hatte ich keine Bedenken. Natürlich war es gefährlich, aber ich hatte nie das Gefühl, dass ich in Gefahr bin, weil ich wusste „Ich kann es!“.

Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem Sie an Ihre Grenzen gegangen sind?

Es gab bisher keine Situation, in der ich das Gefühl hatte, dass es richtig schlimm hätte enden können. Aber ich hatte mal einen Dreh für einen Werbespot, bei dem ich mit Schlittschuhen auf dem Eis stand und von einer rutschenden Kiste „umgehauen“ wurde. Das Anstrengende war nicht der Stunt an sich, sondern die häufigen Wiederholungen – dadurch kam ich dort wirklich an meine körperlichen Grenzen und habe es dann auch irgendwann beendet.

Waren Sie schon einmal an einem Punkt, an dem Sie ans Aufhören gedacht haben?

Nein, dafür liebe ich meinen Beruf zu sehr!

Was muss man mitbringen, um Stuntman zu werden?

Sportlichkeit ist definitiv wichtig. Man muss beweglich sein und eine gute Körperbeherrschung haben. Die meisten Stuntleute kommen aus den Bereichen Kampfsport, Turnen, Parkour, Freerunning, Reiten oder Motorsport. Solche Fähigkeiten sind wichtig als Grundlage. Es ist auch wichtig, vernünftig und nicht draufgängerisch zu sein oder zu viel Risiko einzugehen – so kann man sich schnell in Gefahr bringen. Außerdem sollte man lernfähig und aufmerksam sein.

Werden Sie als Stuntman auch gecastet? Wie bekommen Sie eine Stelle?

Für manche Projekte gibt es Castings. Dort können Stuntleute hingehen und zeigen, was sie können. Oft ist es aber so, dass sich der Stunt Coordinator Leute aussucht, die er für das Projekt braucht. Viele Stuntleute haben ein sogenanntes „Showreel“, also ein Video, das ihre Fähigkeiten zeigt. Es läuft außerdem vieles über Networking. Die Social Media- und Webseiten-Präsenz ist auch nicht ganz unwichtig.

Was wünschen Sie sich für die nächsten Jahre?

Ich wünsche mir, dass ich weiterhin schöne Projekte mit guten Leuten habe. Ich möchte auch in Zukunft herausgefordert werden und mich weiterentwickeln – denn auch nach 21 Jahren hat man nicht ausgelernt!

Christian Petersson

  • 45 Jahre alt
  • Geboren in Schweden
  • Seit 1999 als Stuntman tätig

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