Gründen ist etwas Romantisches – ein Interview mit Campusjäger

Zwischen dem Abi und der O-Phase gründete Martin Trenkle mit Freunden das Startup Campusjäger. Schon im ersten Jahr bewegte er sechsstellige Summen. Wir haben mit ihm über sein Unternehmen, die Herausforderungen und die Angst vor dem Scheitern gesprochen.

das Interview führten Tobias Bader und Nadine Lahn

Was ist Dein Job bei Campusjäger und wie sieht Dein Arbeitsalltag dort aus?

Ich bin einer der drei Geschäftsführer. Jannik arbeitet am Produkt und Matthias im operativen Bereich, das heißt er übernimmt die Firmenbetreuung. Ich kümmere mich hauptsächlich um das Gewinnen von Studenten und Unternehmenskunden. Dabei frage ich mich immer: „In welchen Segmenten können wir uns noch verbessern?“ Zu­dem bearbeite ich alles, was in den Bereichen Finanzen und Recht so anfällt. Ich bewerte regelmäßig unsere Maßnahmen und instruiere das Marketing­Team.

Wie lässt sich die Firma mit Deinem Studium vereinbaren?

Im Moment gar nicht mehr. Ich bin im siebten Semester Wirtschaftsingenieurwesen am KIT und habe acht Monate keine Klausuren mehr geschrieben. Letzte Woche bin ich am Versuch, eine zu schreiben, kläglich gescheitert. Zwei Jahre hat das Studi­um parallel zur Arbeit relativ gut funktioniert, es war aber sehr anstrengend. Man arbeitet 40 Stunden in der Woche, danach muss man lernen, auch am Wochenende. Und dann hat man keinen Nerv mehr da­für, sich irgendwelche „unnötigen“ Skripte und Folien durchzulesen. Zudem waren wir währenddessen auch in Hochschulgruppen, Vereinen und Verbänden engagiert. Da kommt man an seine Grenzen. Deswegen habe ich mir die Entscheidung gesetzt, dass ich nicht mehr parallel studieren werde. Die Verantwortung hier ist einfach zu groß, wenn man im Monat fünf­stellige Summen an Kosten hat. Jetzt habe ich noch sechs Klausuren und die Bachelorarbeit, mit zwei Urlaubssemestern werde ich noch einen Endspurt einlegen und den Bachelor machen, auch wenn das hart wird.

Welche Erfahrungen aus dem Studium haben Dir am meisten weitergeholfen, für Euer Unternehmen?

Zuerst einmal will ich sagen, dass ich das Studium Wirtschaftsingenieurwesen am KIT sehr gut finde, besonders den Praxisbezug, das hat mir echt Spaß gemacht. Man lernt logisches Denken, Abwägen und Alternativen bewerten. Die Hardskills in IT und BWL waren gutes Rüstzeug für mich. Ich würde allerdings nicht sagen, dass es die Basis für mich bzw. für neue Gründer darstellt. Das wichtigste für mich war immer, offen zu sein für Feedback und Input von Anderen, die sich mit dem Thema auskennen. Der Austausch mit älteren Gründern und die Möglichkeit Fragen zu stellen, haben mir am meisten gebracht. Eventuell sollte man noch passende Bücher dazu lesen. Wichtig war und ist mir ein offener und persönlicher Austausch innerhalb des Gründerteams.

Was genau gefällt Dir an der Arbeit?

Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, Arbeitnehmer zu sein, außer wenn von beiden Seiten ganz viel stimmt. Hier kann ich Kultur selbst formen, man sieht jeden Tag, was man von Anfang an geschaffen hat und kann am größten Rad überhaupt drehen. Wir setzen uns quartalsweise Ziele, planen alles selbst und müssen uns nur innerhalb des Gründerteams abstimmen. Mir gefällt diese Freiheit im Vorgehen und Entscheiden. Uns ist vor allem wichtig, flexibel zu bleiben. Ich war zum Beispiel letztes Jahr fünf Wochen im Urlaub, das ist in einer großen Firma nicht möglich.

Was macht Campusjäger?

Unsere Plattform übernimmt komplette Recruiting-­Prozesse und das mit Vorteilen für Recruiter, wie auch Studenten. Wir bieten Studenten eine einfachere und schnellere Jobsuche und Arbeitgebern und Recruitern weniger Stress. Anzeigen werden von uns online gestellt und über eine große Reichweite verteilt. Schließlich können wir den Unternehmen die passenden Kandidaten vorstellen. Dabei hinterfragen wir grundsätzlich jeden Schritt und überlegen, was man wie optimieren könnte. Anschreiben, beispielsweise, sind oft lang und transportieren doch so wenig Inhalt. Wir verkürzen diese auf wenige Sätze, die drei Fragen beantworten, welche der Arbeitgeber selbst stellen kann. Ziel ist es dabei immer, den Recruiting-­Prozess so weit wie möglich zu vereinfachen.

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, Campusjäger zu gründen?

Zuerst hatten Jannik und ich den Plan, zu gründen. Dabei hatten wir allerdings noch keine Vorstellung was. Wir sind zusammen zur Schule gegangen und waren uns später einig, dass wir beide gründen wollen. Mit dem Unternehmen hatten wir das Ziel, schnell Umsatz zu generieren und uns da­bei auf jeden Fall komplett selbst zu finanzieren. Entscheidend war auch, dass wir das Projekt ohne Vorkenntnisse durchführen können, die keiner von uns direkt nach dem Abitur hatte. Die Branche ist jetzt natürlich nicht so fancy wie zum Beispiel die des Social Network, aber gerade diese Bereiche sind auch schon ziemlich überlaufen. Damit kann man nicht mehr so einfach Geld machen. Allgemein gesagt ist Campusjäger nicht durch einen Kreativprozess entstanden, wie so viele andere Startups, sondern sehr strategisch ausgerichtet – wie heute immer noch.

Wie habt Ihr euch am Anfang finanziert?

(lacht) Wir haben in einer WG zusammen­ gewohnt. Die Zimmer haben wir fast durch­gängig über Airbnb vermietet und dann selbst auf dem Boden geschlafen. So waren fast jede Nacht Leute, zum Teil auch aus verschiedenen Ländern, bei uns. Insgesamt haben wir dadurch mehrere tausend Euro eingenommen und uns so unseren Start selbst finanziert. Darauf le­gen wir viel Wert und sind besonders stolz. Externe Finanzierung kommt uns nicht ins Haus.

Wie verdient Ihr Euer Geld?

Die Unternehmen bezahlen uns nur, wenn wir Ihnen einen Bewerber erfolgreich vermittelt haben. Bei Praktikanten bekommen wir 500 Euro, für Werkstudenten 800 Euro und für Berufseinsteiger 15 Prozent vom Jahresgehalt – also um die 6000 Euro. In unserem ersten Jahr, vor zwei Jahren, haben wir ca. 100.000 Euro Umsatz gemacht. Dieser hat sich im letzten Jahr verdrei-­ bis vervierfacht. Unser Ziel für dieses Jahr ist es, den Umsatz vom letzten Jahr zu verdoppeln. Aber mit diesem Vorhaben stehen wir noch ganz am Anfang, da ist noch Potenzial nach oben.

Euer Kapital sind praktisch die Kontakte in und das Vertrauen von den Unternehmen. War es am Anfang schwierig, die Unternehmen von Eurem Konzept zu überzeugen?

Je bekannter man wird, desto einfacher ist es. Unser Anreiz für Unternehmen ist vor allem, dass der Einstieg bei uns komplett risikolos für sie ist. So konnten wir diverse Unternehmen schon früh von uns überzeugen. Sie können es einfach ausprobieren und wir müssen dann eben mit unserer Leistung überzeugen.

Warum zahlen Unternehmen so viel Geld für den Prozess?

Auch kleine Unternehmen können ihren kompletten Recruiting-­Prozess auslagern. Um Bewerber zu suchen, bräuchten sie fast eine eigene Stelle, die diesen Prozess übernimmt – diese Lücke füllen wir. Zu­ dem ist mit unserer Hilfe die Reichweite viel viel größer und – wie gesagt – der Vorselektionsprozess kürzer und einfacher. Alles in allem ist das Preis-­Leistungsverhältnis sehr gut, würde ich sagen, da unser Service bis zur passenden Vermittlung für Unternehmen ja auch erstmal kostenlos ist.

Wie viele Studenten nutzen das Angebot, kannst Du uns da Zahlen nennen?

Aktuell registrieren sich pro Monat mehr als tausend Studenten. Im Moment sind es etwa 15.000 aktiv Suchende. Wir bieten diesem Pool an Studenten aktuell ca. 600 Jobs, hauptsächlich aus den Bereichen BWL und IT. Damit sind die Zielgruppen heute hauptsächlich WiWis und Informatik­-Studenten. Wir werden zukünftig sicher noch Jobs aus anderen Bereichen anbieten. Im Moment verfolgen wir vorerst die Methode, unsere gut funktionierende Strategie weiter auszubauen, denn das bewährt sich meistens am besten.

Gibt es ein großes Projekt, an dem Ihr im Moment arbeitet?

Der Prozess einer Personalvermittlung soll zu 100 % automatisiert ablaufen, das ist unser Ziel und unser großes Projekt für dieses Jahr. Diese Methode hat großes Potenzial, da sie den kompletten Prozess erledigen soll, ohne dass wir dabei sind.

Inwiefern sind Gründer mutig?

Schwierige Frage. Je nachdem, wie weit man mit Privilegien ausgestattet ist. Wenn sich jemand von Anfang an selbst finanzieren muss und sich darauf verlässt, dass man sich mit der Idee finanzieren kann, würde ich das schon als mutig bezeichnen. Ich finde, die Startsituation entscheidet den Grad an Mut, den man braucht. Ich habe aus Nebenjobs immer ein bisschen Geld gespart, von meinen Eltern Geld fürs Studium bekommen und hatte somit diese Privilegien. Damit würde ich mich jetzt als nicht so mutig bezeichnen.

Gab es Momente, in denen Du Angst hattest, zu scheitern?

Ja schon, aber die Fallhöhe ist bei uns einfach sehr gering. Wenn wir fallen, machen wir unser Studium weiter, haben vielleicht einen Nebenjob oder gründen was Kleineres mit weniger Aufwand. Dadurch war die Angst immer relativ niedrig. Die Verantwortung steigt jetzt immer mehr, weil wir Festangestellte haben, die die Hälfte ihrer Zeit hier verbringen. So wird die Angst vor dem Scheitern immer größer, weil davon immer mehr Leute und nicht nur man selbst betroffen ist. Wenn nur ich daran hängen würde, dann fände ich es nicht so schlimm (lacht).

Wann musstet ihr am härtesten kämpfen bzw. was war die größte Herausforderung bisher?

(überlegt) Es gab immer viele kleine Sachen. Wir hatten am Anfang eine Phase als wir ein paar Verbindlichkeiten aufgebaut haben, mit wenigen Mitarbeitern. Im Nach­hinein ist unser Umsatz da eigentlich nur minimal runtergegangen, trotzdem hatte ich mega Angst in dem Moment. Wir hatten große Pläne gemacht, wie man Kosten optimieren kann, aber es war eigentlich ein Witz, ein saisonaler Einbruch. Wenn heute sowas kommt, wissen wir schon Bescheid. Das waren erste Begegnungen mit negativen Phasen, die aber ganz normal sind, wir haben es halt einfach nicht gekannt. Mittlerweile sind wir sehr bodenständig und haben uns weiterentwickelt. Es gibt nur noch wenige Situationen, die uns aktuell wirklich stressen oder extrem heraus­ fordern, aber die kommen ja immer wieder.

Hast Du Tipps für neue Gründer?

Das Wichtigste ist, dass man nicht so stark auf die Medien schaut. Dort scheint alles so einfach, das Gründen bei jungen Leuten läuft perfekt, aber das sind Extrembeispiele. Man muss sich bewusst werden, dass erfolgreiche Unternehmen wie SAP mehrere Jahrzehnte benötigt haben, um an den Punkt zu kommen an dem sie heute sind – da hieß es nicht wir sammeln 12 Millionen ein und verkaufen das Ding in vier Jahren. Wichtig ist, dass man von Anfang an den richtigen Motivationsgrund hat. Kurzfristige Motivation wie Geld und Ruhm ist nicht besonders hilfreich auf langfristige Sicht. Meiner Meinung nach ist Gründen etwas Romantisches: Man muss es wollen und sich klar sein, dass es für sich und das Umfeld nicht immer einfach wird.

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