Rücksichtsloser Konsum

Kleidung aus Kinderarbeit und Lebensmittel aus Massentierhaltung – was wir für moralisch verwerflich halten, das kaufen wir meist trotzdem. Aber warum eigentlich? Nora Szech, Professorin für politische Ökonomie am Institut für Volkswirtschafslehre des KIT, beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit dieser und ähnlichen Fragen. Wir haben nachgefragt, wie sich die Marktbedingungen verändern müssten, um ethischen Standards gerechter zu werden.

von Lea Krug

Es handle sich um ein empirisch nachweisbares Phänomen, dass der Einzelne in einer Gruppe von Handelnden das Gefühl habe, Verantwortung und Schuld zu teilen. „Als Marktteilnehmer verhalten sich Menschen gieriger und egoistischer als sie es als Einzelne tun“, so Szech.

In ihrem Forschungsschwerpunkt geht die KIT-Wissenschaftlerin der Frage nach, in welcher Weise institutionelle Mechanismen dazu beitragen können, dass sich die Marktteilnehmer moralisch und prosozial verhalten. In der Öffentlichkeit wird oft argumentiert, dass mehr Transparenz und verlässliche Gütesiegel nötig wären, damit Konsumenten erkennen könnten, wie welche Ware produziert wird. „Tatsächlich fällt es vielen leichter, rücksichtsloser zu konsumieren, wenn unklar ist, wie schlecht die Konsequenzen für andere im Detail sind. Das gibt Konsumenten die Möglichkeit, sich leichter vor sich selbst und anderen für den Kauf zweifelhafter Produkte zu rechtfertigen“, meint Szech. Sie sieht aber nicht nur die Verbraucher in der Verantwortung: „Unternehmen unterstützen dieses Denken weiter, indem sie zum Beispiel versprechen, dass ein Computer wasserschonend produziert wurde, die Arbeitsbedingungen in der Produktion werden aber mit keinem Wort erwähnt.“

Doch die Ökonomin betont auch, dass Transparenz und Informationen über die  Produktionsbedingungen alleine wohl nicht ausreichen, um das Kaufverhalten zu beeinflussen. „Viele Menschen verbinden mit Märkten einen relativ moralfreien Raum, in dem es okay ist, vor allem auf den Profit zu schauen. Hier sollten wir als Gesellschaft kritischer werden“, so Szech.

Auch die Politik sieht die Professorin in der Verantwortung: „Wieso sollten wir nicht Mindeststandards in der Produktion gesetzlich festschreiben, sodass auch Menschen aus viel ärmeren Ländern einen Mindestschutz erfahren, wenn wir ihre Produkte konsumieren? Importbedingungen könnten daran geknüpft sein. Ich denke, damit könnten wir viel verändern.“ Doch neben Politik und Gesellschaft nimmt Szech auch ihre eigene wissenschaftliche Disziplin in die Pflicht: „Die Ökonomie hat die moralische Dimension eine Zeit lang anderen Wissenschaften überlassen, das muss sich dringend wieder ändern“.

Prof. Nora Szech

hat seit 2013 den Lehrstuhl für Politische Ökonomie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) inne. Im Jahr 2011 wurde sie mit dem Reinhard-Selten-Preis des Vereins für Socialpolitik ausgezeichnet und forscht auch als Fellow am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) interdisziplinär zum Thema Markt und Entscheidung.

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