KT 39 – Wirtschaftsmoral: Wohin führt der Weg?
Das Konzept von ethisch handelnden Unternehmen ist keine reine Nebenattraktion mehr, sondern hat seinen Weg in die Köpfe der Unternehmensführung gefunden. Zu oft wird es jedoch zum Zweck des reinen Marketing missbraucht.
Von Nico RÖDDER, CHEFREDAKTEUR
Sie heißen Corporate Citizenship, IS Green Initiative, Complianceoder Sustainability-Programme und sind in den Glastempeln von Großkonzernen an prominenten Stellen angeschlagen. Die Namen dieser Programme sagen viel über den aktuellen Stand dessen aus, was allgemein als unternehmerische Gesellschaftsverantwortung (engl. Corporate Social Responsibility – CSR) bezeichnet wird. Nämlich zunächst, dass der Begriff „Corporate Social Responsibility“ selbst –zumindest in Unternehmen- nicht sonderlich populär ist. Außerdem zeigen sie, was heutzutage alles hinter dem Wir-tun-Gutes Aushängeschild zu finden ist: Vom Anpflanzen von Bäumen über Kunstförderung bis zum Retten der Welt kann eigentlich alles unter CSR und Unternehmensverantwortung verstanden werden.
Bei allen diesen Programmen, über deren Bezeichnung und Inhalt sich findige Strategen mit Sicherheit viele Gedanken gemacht haben, geht es letztlich nur um eins: Tue Gutes und rede ausgiebig darüber. Und diese Programme haben in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebt. Firmen verkünden auf ihren Webseiten, in ihren Geschäftsberichten und Marketing-Kampagnen, wie viel sie für unsere Welt und unsere Gesellschaft tun.
Aber nicht nur bei Unternehmen findet das Produkt „CSR“ reißenden Absatz. Die deutsche Regierung gibt seit noch nicht all zu langer Zeit Berichte all ihrer Ministerien heraus, in denen diese zu ihrer sozialen und ökonomischen Verantwortung Stellung beziehen. Auch der „Global Compact“ der Vereinten Nationen stellt ein Netzwerk von über 2400 Unternehmen, Wirtschaftsverbänden, Wissenschaftlern und Städten dar. Wer den Pakt unterschrieben hat, verpflichtet sich, zehn Prinzipien einzuhalten wie beispielsweise Kinderarbeit zu unterbinden oder gegen alle Arten von Korruption vorzugehen.
Auch an Universitäten und Hochschulen werden zunehmend Veranstaltungen zur CSR angeboten. Vorlesungen wie „Corporate Responsibility von Abis Z“ stellen künftige BWLer zufrieden. An der Universität Bayreuth widmet sich mit „Philosophy & Economics“ gar ein gesamter Studiengang der erweiterten Problematik.
Trotz all dieser schönen Programme bleiben oft nur Lippenbekenntnisse übrig. In Deutschland löste 2006 die Siemens AG einen der größten Korruptionsskandale in der deutschen Wirtschaftsgeschichte aus. Beteilige und Zeugen sagten aus, dass Schmiergeldzahlungen absolut üblich seien. Die Siemens AG ist heute mehr denn je darum bemüht, ihr Image zu verbessern. Nicht zuletzt mit einem CSR-Programm mit der hippen Bezeichnung „FIT4 2010.“ Aber gerade in der Entwicklung hin zur aktuellen Krise tun sich Abgründe auf. Der Untergang des Konzeptes der ausschließlichen Investmentbank und der Stars der Wall Street und ihrer Pendants in der Square Mile zeigen diese auf. Egal ob Lehman Brothers, Goldman Sachs oder JPMorgan Chase; sie alle hatten bereits vor der Krise CSR-Programme und stellen diese heute umso mehr in den Vordergrund ihres Unternehmensauftrittes.
Ist Corporate Social Responsibility also als reines Marketinggeplapper abzulehnen?
Wohl kaum! Dafür haben zu viele dieser Programme positive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Doch es gilt wie überall im Leben: nur was am Ende übrig bleibt zählt.