Netzwerkplanung in Windparks – Die Lücke zwischen Aufwand und Nutzen schließen
Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Bestandteil, um die minimale Existenzgrundlage des Menschen zu bewahren. Diese Nachhaltigkeit wird unter anderem in Stromnetzen umgesetzt, die weg von den konventionellen hin zu erneuerbaren Energien gehen sollen. Die Energieinformatik ist ein junger Bereich, der versucht, die Kompetenzen aus der Informatik und anderen Fachrichtungen zu vereinen, um die damit einhergehenden Fragestellungen, wie beispielsweise der Verkabelung in Windparks als Teil der Netzplanung, zu bearbeiten.
von Franziska Wegner
Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz von 2017 (kurz EEG 2017) besagt, dass 40-45% (bis 2025) bzw. 55-60% (bis 2035) der verbrauchten Energie aus erneuerbaren Energien zu erzeugen ist. Damit setzt Deutschland einen klaren Trend in Richtung Nachhaltigkeit.
Was sind erneuerbare Energien und was spricht für sie?
Zu den Erzeugern von erneuerbaren Energien gehören unter anderem Solaranlagen und -parks, Windenergieanlagen (kurz WEA, umgangssprachlich als Windräder bekannt) und -parks, Wasserkraftwerke, Biogas- und Geothermieanlagen. Die nachhaltige Energiepolitik existiert aus Gründen des Klimaschutzes, der Endlichkeit von fossilen und nuklearen Brennstoffen, der Versorgungsdemokratisierung, des wirtschaftlichen Vorteiles, und – oftmals übersehen – des Friedensschutzes, da zukünftige Ressourcenknappheit zu Konflikten führen kann. A priori wird versucht, diese Konflikte zu vermeiden.
Konventionelle Kraftwerke erzeugen den Strom zentral und speisen diesen in Hochspannungsnetze ein, wohingegen Solaranlagen und Windparks den Strom von verschiedenen Solarmodulen oder Windenergieanlagen sammeln und je nach Größe des Parks in das Nieder-, Mittel- oder Hochspannungsnetz einspeisen können. Waren Stromnetze früher für einen einseitig gerichteten Fluss vom Hoch- ins Mittel- und Niederspannungsnetz ausgelegt, so kann der Strom nun beidseitig fließen. Dies kann zu weiteren Problemen in unseren Netzen führen, auf die hier nicht weiter eingegangen wird.
Laut eines Berichtes der Europäischen-Offshore-Windindustrie (engl. European Offshore Wind Industry), der Statistiken und Trends bis zur ersten Hälfte von 2016 aufzeigte, stieg die Anzahl an Windenergieanlagen von 2014 bis 2015 um etwa 38% weltweit. Das größte bis jetzt geplante Offshore-Windparkprojekt, das „Hornsea Project Three” in der Nordsee nördlich der Norfolk Küste (Vereinigtes Königreich), wird voraussichtlich mit ca. 300 Windenergieanlagen ausgestattet. Das europäische Stromnetz besitzt laut dem oben genanntem Bericht mehr als 3.344 Windenergieanlagen auf 82 Offshore-Windparks verteilt. Andere Projekte wie der Onshore-Windpark „Terra-Gen” mit 617 Windenergieanlagen und „Gansu” mit mehr als 3.500 Windenergieanlagen zeigen zwei der größten je geplanten OnshoreWindparks in Nordamerika und China.
Warum planen Deutschland und andere europäische Länder ihre Windparks auf dem Wasser und nicht auf dem Land?
Die Verkabelung und das Equipment auf dem Meer sind doch deutlich teurer als die Verkabelung und das Equipment auf dem Land. Der Aspekt, dass auf dem Meer fast immer Wind herrscht, der zudem auch stärker ist, ist natürlich nicht vernachlässigbar, wiegt aber die ökonomischen Nachteile nicht unbedingt auf. Länder wie die USA, China und Russland bauen ihre Windparks hauptsächlich onshore. Europa, verglichen mit anderen Kontinenten, ist jedoch dichter besiedelt und es existieren weniger ungenutzte Flächen, die für Windenergieanlagen zur Verfügung stehen. Diese ungenutzten Flächen sind teilweise Naturschutzgebiete oder Regionen mit wenig Wind, deshalb müssen europäische Länder auf die Offshore-Lösung zurückgreifen. Die deutsche Bucht in Abbildung 1 zeigt ein Beispiel für den aktuellen Ausbau von Offshore-Windparks.
Abbildung 1: Offshore-Windpark in der deutschen Nordseebucht. Grün: Sammelsysteme, die bereits in Betrieb sind, orange: in Bau, gelb: genehmigt, grau: in Planung, lila/orange schraffiert: Sperrgebiete für den Ausbau von Sammelsystemen durch Flora-und-Fauna-Habitate bzw. EU-Vogelschutzgebiet.
Wie werden diese Windparks geplant?
Windenergieanlagen werden in einem Gitter mit regelmäßigen Abständen platziert. Die Abstände sind abhängig von den Rotorblättern und die Platzierung ist damit unabhängig vom Windprofil. Die Verkabelung wird oft per Hand geplant und beruht folglich (wie die Platzierung) auf Erfahrungswerten. Nun steigt die Größe der Windparks stetig und das Planen dieser Parks per Hand wird komplexer, da diese Planungsart nicht skaliert. Dies bedeutet, eine manuelle Planung besitzt nicht die Fähigkeit, größer werdende Windparks zu entwerfen.
Die Planung eines Windparks umfasst weit mehr als nur die Verkabelung der Windenergieanlagen. Wichtige Entwurfsentscheidungen für Windparks sind unter anderem die Windenergieanlagenplatzierung, Wirtschaftlichkeit, Reduzierung der Leistungsverluste, Beachtung von Geländeeigenschaften, Eigentumsansprüche, Naturschutzgebiete und Windprofile. Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (kurz LUBW) hat beispielsweise für das Land Baden-Württemberg einen Energieatlas herausgebracht, der einige dieser Entwurfsentscheidungen abwägt und Flächen für Windenergieanlagen empfiehlt oder ausschließt (anhand der in http://www.energieatlas-bw.de/wind/potenzialanalyse/methodik vorgestellten Methodik).
In vielen Fällen widersprechen sich die Entwurfsentscheidungen, sodass je nach Fall, eine Priorisierung der verschiedenen Entwurfsentscheidungen durchzuführen ist. Es bietet sich an, einzelne Teilaspekte wie die Verkabelung abzukoppeln und eigenständig zu betrachten. Selbst diese einzelnen Teilprobleme sind oft schwer in praktikabler Zeit zu lösen.
Wir interessieren uns für die Verkabelung von Windenergieanlagen
Kabel verbinden Windenergieanlagen untereinander und Gruppen von Windenergieanlagen mit Sammelpunkten (engl. Substations). Sammelpunkte wiederum werden über Kabel mit dem Übertragungsnetz auf dem Land verbunden.
Die Verkabelung macht einen bedeutenden Anteil der Gesamtkosten aus. Dies wird deutlich daran, dass die Investitionskosten für Offshore-Windparks etwa drei Mal so hoch sind wie die für Onshore-Windparks. Für die Verkabelung hat beispielsweise der Offshore-Windpark „Horns Reef” in Dänemark 10-15% der Gesamtinvestitionen aufgewendet. Daraus wird ersichtlich, dass die Verkabelung eine wichtige Entwurfsentscheidung darstellt, um die Lücke zwischen Kosten und Nutzen eines Windparks zu schließen und Windparks als erneuerbare Energiequelle attraktiver zu gestalten, denn das jährliche Leistungspotential an Wind im Offshore-Bereich verglichen zum jährlichen Stromverbrauch weltweit liegt bei etwa 180% (Stand 2015).
Folglich ist es theoretisch möglich, den elektrischen Gesamtverbrauch mit Offshore-Windenergie zu befriedigen, wenn man den Ausbau fortsetzt.
Abbildung 2: Ein Windpark besteht aus Windenergieanlagen, Transport- und Übertragungskabeln, Sammelpunkten, die die Leistung mehrerer Windenergieanlagen vereinen und zwischen zwei Spannungsleveln transformieren und einem Netzpunkt, der den Windpark mit dem eigentlichen Übertragungsnetz verbindet. Das Verkabelungsproblem ist hierarchisch aufgebaut. Typische Planungsschichten sind die Verkabelung des gesamten Windparks (Schicht 1), die Verkabelung eines kleineren Teils des Windparks rund um den Sammelpunkt (Schicht 2) und die Verkabelung einer einzelnen Gruppe, die gemeinsam an den Sammelpunkt angeschlossen ist (Schicht 3).
Die Verkabelung von Windparks mit minimalen Kosten unter der Verwendung von verschiedenen Kabeltypen soll untersucht werden. Dabei kristallisieren sich drei hierarchische Problemschichten heraus (siehe Abbildung 2):
- die Verkabelung des gesamten Windparks,
- die Verkabelung von Sammelsystemen (engl. collector systems), die mehrere Gruppen von Windenergieanlagen mit einem Sammelpunkt verbinden,
- die Verkabelung einer Gruppe, die als Komponente mit dem Sammelpunkt verbunden ist.
Das kleinste dieser Probleme (3.) ist bei der Betrachtung mehrerer Kabeltypen bereits so komplex, dass es für Computer nicht zu erwarten ist, eine bestmögliche Lösung, d.h. eine Lösung mit minimalen Kosten, innerhalb einer realistischen Zeit für mittlere bis große Gruppen von Windenergieanlagen, zu berechnen. Eine Überlegung, um eine bestmögliche Lösung zu erhalten, wäre es, alle Möglichkeiten durchzuprobieren. Da es exponentiell viele Möglichkeiten gibt, kann man diese nicht ohne weiteres durchprobieren. Denn bei 24 Windenergieanlagen und 276 möglichen Verkabelungstrassen würde dies bedeuten, dass der Computer etwa soviel Verkabelungsmöglichkeiten durchtestet wie es Atome im Universum gibt.
Nun gibt es Werkzeuge, die den Raum aller möglicher Lösungen etwas effizienter absuchen als alle Möglichkeiten durchzutesten. Mit diesen Werkzeugen ist es uns möglich, eine bestmögliche Verkabelung (eine mit minimalen Kosten) von zehn Windenergieanlagen in unter drei Minuten zu berechnen. Von zehn auf elf Windenergieanlagen vervierfacht sich die Laufzeit und geht danach bereits schlagartig hoch.
Abbildung 3: Eine Gruppe eines Windparks mit fünf Windenergieanlagen und einem Sammelpunkt kann 5^15 verschiedene Verkabelungen haben.
Es ist relativ schnell ersichtlich, dass das Finden von bestmöglichen Lösungen nicht immer zielführend ist. Um eine gute, wenn auch nicht bestmögliche, Lösung zu berechnen, können Intuitionen ausgenutzt werden. Beispielsweise sind Verkabelungen ohne Kreise oft günstiger und mit kleinen Distanzen tendenziell nicht schlechter. Werden die verschiedenen Verkabelungsmöglichkeiten nach der Länge sortiert, diese dann beginnend mit der kleinsten Länge aufsteigend eingefügt und wird zudem darauf geachtet, dass die neue Verkabelung keinen Kreis erzeugt, so ist das Ergebnis eine kreisfreie Verkabelung mit minimaler Länge (siehe Abbildung 3 b). Das Ergebnis nennt sich auch „minimal aufspannender Baum”. Der Begriff „Baum” ergibt sich daraus, dass die Verkabelung keine Kreise besitzt. Die vier Beispiele in Abbildung 3 zeigen alle möglichen Verkabelungstrassen in (a), einen minimal aufspannenden Baum in (b), eine Variante mit einem Kreis in (c) und eine bestmögliche Variante in (d). Aus den Beispielen wird deutlich, dass es Verfahren gibt, die zwar nicht eine bestmögliche Lösung finden, aber deren Lösung trotzdem gut ist (siehe Abbildung 3 b). Diese Möglichkeit, schwere Probleme mit Intuitionen anzugehen, wird auch heuristisches Lösungsverfahren genannt. Im obigen Beispiel ist der minimal aufspannende Baum (Abbildung 3 b) eine Heuristik für das Verkabelungsproblem. Heuristiken finden trotz begrenzter Information und Zeit Lösungen für ein Problem, die relativ gut sind. Da es unpraktikabel ist, eine bestmögliche Lösung zu berechnen, wird die (teilweise stark schwankende) Abweichung einer Heuristik von einer bestmöglichen Lösung in Kauf genommen. Ein Vorteil von heuristischen Lösungsverfahren ist eine schnellere Berechnung. Viele Probleme besitzen zudem eine gewisse Struktur, die als Information dem Verfahren mitgegeben wird, um eine bessere Lösung zu finden. Für das obige Beispiel bedeutet dies, dass kreisfreie und kürzere Verkabelungen oft besser sind. Diese Erkenntnis und Nutzung von Problemstrukturen ist bekannt unter der Begrifflichkeit der „Erfahrung“.
Das Institut für Theoretische Informatik (ITI) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat sich speziell mit der Modellierung des Problems und der damit verbundenen realistischen Vereinfachung und der Lösung dieses weiterhin schweren Problems mithilfe von Metaheuristiken befasst.
Was ist der Unterschied zur Heuristik?
Das Wort „Meta“ deutet an, dass sich mit einem übergeordneten oder abstrakten Konzept von Heuristiken beschäftigt wird. Nutzen Heuristiken noch Strukturen eines spezifischen Problems aus, so sind Metaheuristiken abstrakte Beschreibungen von Berechnungen für (theoretisch) beliebige Probleme. Da diese Berechnungsbeschreibungen aber nicht beliebig abstrakt gehalten werden können, sodass sie trotzdem noch zu jedem Problem sehr gut passen, gibt es Problemklassen (Menge von Problemen mit gleichartigen Ausprägungen), auf denen bestimmte Metaheuristiken besonders gut funktionieren. Metaheuristische Verfahren nehmen sich meist ein Beispiel an natürlichen Prozessen. Gestartet wird oft mit einer zufälligen Lösung. Eine Lösung stellt eine mögliche Verkabelung des Windparks dar. Diese wird dann schrittweise weiter verbessert. Bei evolutionären Metaheuristiken werden beispielsweise zwei gute Lösungen verwendet und diese so gekreuzt, dass die neue Lösung Eigenschaften ihrer Elternlösungen übernimmt. Eine weitere Möglichkeit, um die Lösung zu verbessern, nennt sich Mutation. Im vorliegenden Fall mutiert eine Lösung, indem zufällig mehrere Verkabelungen zwischen zwei Windenergieanlagen gelöscht und neue Verkabelungen hinzugefügt werden.
Der Raum aller möglichen Lösungen stellt sich wie ein Gebirge dar. Es gibt viele Täler, welche lokal gesehen ein Minimum darstellen. Nur wenige von diesen Tälern liegen am tiefsten Punkt in dem Gebirge und präsentieren daher auch ein globales Minimum (siehe Abbildung 4). Genauso verhält sich das mit den gezeigten Lösungen. Es gibt sehr viele lokale Minima, gesucht wird jedoch ein globales Minimum. Da nicht bekannt ist, welche Kosten ein globales Minimum besitzt, muss solange der Lösungsraum durchsucht werden, bis ein Abbruchkriterium, beispielsweise eine bestimmte Laufzeit, erreicht wurde.
In der ersten Arbeit am ITI wurde die Methode der simulierten Abkühlung verwendet, welche beispielsweise den Abkühlungsprozess des Kristallgitters von Metall nachbildet. Während am Anfang die Atome noch stark schwingen und die Abweichungen von einer stabilen Kristallstruktur noch sehr stark sein können, bewegen sie sich zum Ende des Prozesses kaum noch und lassen damit wenig bis keine Verschlechterungen ihrer Position zu. Das Ergebnis ist dann eine stabile Kristallstruktur. Wenn diese Beschreibung an sein Problem leicht angepasst wird, indem das Konzept der Erfahrung (s.o.) einfließt, so ergeben sich für das Verkabelungsproblem für große Windparks bereits nach 30 Minuten sehr gute Ergebnisse. Aktuell werden weitere Verfahren am ITI untersucht und miteinander verglichen, um die Lücke zwischen Aufwand und Nutzen von Windparks immer mehr zu schließen.
Abbildung 4: Der Lösungsraum stellt ein Gebirge mit vielen Tälern dar. Gesucht wird ein Tal, welches am niedrigsten liegt. Die Suche erfolgt unter anderem mithilfe der Mutationsmethode.
Franziska Wegner
ist Doktorandin am Lehrstuhl für Algorithmik des Instituts für Theoretische Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Dort forscht sie an Algorithmen für Energienetze.
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