Global Village – Wie das Internet die Welt vernetzt(e)

Wir alle arbeiten täglich damit, immer mobiler und immer selbstverständlicher. Wir können jederzeit und überall unsere Freunde auf der ganzen Welt erreichen und uns Badelatschen direkt aus der Türkei bestellen. Wenn in China wieder mal ein Sack Reis umgefallen ist, können wir das in Sekunden herausfinden. Das Internet als Inbegriff der Vernetzung macht all das möglich. Doch wie fing das eigentlich an? Wer hat das Internet erfunden? Und welche Auswirkungen hat das auf unsere Gesellschaft?

von Lena Kaul

Das Internet (von englisch inter-network) hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu dem wohl wichtigsten Netzwerk unseres Lebens entwickelt. Unzählige Computer bilden dabei die Knotenpunkte des riesigen Netzwerks. Die Frühphase des Internets beginnt ab Mitte der 1960er Jahre, in denen die technischen Grundlagen entwickelt und zur Anwendungsfähigkeit gebracht werden. Als Vorläufer des heutigen Internets gilt das sogenannte „Arpanet“, das ab 1968 im Auftrag der US-Luftwaffe unter der Leitung des Massachusetts Institute of Technology und des US-Verteidigungsministeriums entwickelt wird und ein Jahr später mit vier Knotenpunkten online geht. Das Ziel war es, mehrere US-amerikanische Universitäten, die für das Verteidigungsministerium forschten, mit einem dezentralen Netzwerk miteinander zu vernetzen. Warum? Man wollte besser sein als die Sowjetunion. Die Advanced Research Projects Agency (ARPA) wird 1958 mit dem Ziel gegründet, dass Amerika wieder die führende Rolle in Wissenschaft und Technik erlangt, nachdem die UdSSR ein Jahr zuvor den ersten Satelliten der Welt (Sputnik) ins All geschickt hatte. Letztlich ist das Internet also ein Ergebnis des Kalten Krieges. Das damals revolutionäre dezentrale Konzept enthielt schon die grundlegenden Aspekte des heutigen Internets. Als Verbindung dienen damals noch Telefonleitungen.

Anfang der 1970er wird die erste E-Mail über das Arpanet verschickt und das erste E-Mail Programm entwickelt. Das Netzwerkprotokoll TCP*, das nahezu alle Betriebssysteme heutzutage für den Datenaustausch mit anderen Rechnern nutzen, wird 1973 publiziert und spaltet sich vier Jahre später in TCP und IP* (Internet Protocol). Das Arpanet ist nach acht Jahren auf 111 Knoten angewachsen. Die Ingenieure, die das „Internet Protocol“ in den 1960er und 70er Jahren entwarfen, kann man heute als Erfinder des Internets bezeichnen: Vinton Cerf, Lawrence Roberts, Robert Kahn, Jon Postel und Dave Clark. Bis heute gibt IP den Rahmen für jeden Datenaustausch im Netz vor.

Ende der 1970er beginnt eine Phase des Internets, die man als die „wilde Phase“ bezeichnen könnte. Die internationale Ausbreitung des Internets beginnt. Es entstehen eine Tauschökonomie für Software und Information, eine graswurzelbasierte Selbstorganisation, sich entwickelnde Communitys und der Hackergeist, der jede Beschränkung des Zugangs und des freien Informationsflusses zu umgehen weiß. So wird beispielsweise 1975 das „Jargon File“, ein Wörterbuch für Hackerbegriffe, erstmals publiziert – natürlich online.

Zunächst verfügen nur das Militär und Universitäten über Internet. Erst 1990 beginnt mit der Abschaltung des Arpanets die kommerzielle Phase, in der das Internet für jeden zugänglich wird. Um die Jahrtausendwende wird das Internet zunehmend zu einer interaktiven Kommunikationsplattform (Web 2.0) und ist keine statische Welt mehr. In der ersten Hälfte der 2000er wird die Online-Enzyklopädie Wikipedia gegründet und soziale Netzwerke sprießen aus dem Boden (Facebook, Twitter, YouTube, studiVZ, etc.).

Das Internet verbreitet sich seitdem rapide: Heute nutzt es fast die Hälfte der Weltbevölkerung, nämlich ca. 3,4 Milliarden Menschen. Natürlich nicht grundlos: Die Vernetzung bringt uns viele Vorteile. Nie sind wir so schnell und einfach an Informationen gekommen. Die Menge der Informationen im Netz ist nahezu unerschöpflich. Man findet etwas zu jedem Thema – und das sehr viel aktueller als beispielsweise in einem Buch. Man bekommt Nachrichten nicht mehr (nur) tagesaktuell, sondern minutengenau. Kommunikation über das Internet ist im Gegensatz zu Telefon oder Briefen kostengünstig und schnell. Man muss nicht mehr für jede einzelne Nachricht bezahlen.

Mit der Vernetzung der digitalen Welten verändern sich unsere Gesellschaft und unser Denken. Wir leben in einer Informationsgesellschaft, in der Wissen, Informations- und Kommunikationstechnologien zentrale Bedeutung gewonnen haben. Information ist kein knappes Gut mehr. Das zeigt sich auch in der Veränderung von Verhaltensweisen des Einzelnen (vgl. Artikel „24/7 online“ in diesem Heft) sowie von gesellschaftlichen Bedingungen, Normen und Werten mit der Vernetzung durch das Internet. Das (private) Kommunikationsverhalten sowie die Berichterstattung der Medien sind z.B. durch ständige Verfügbarkeit gekennzeichnet. Jeder kann jederzeit Nachrichten oder Inhalte ins Netz stellen. Dadurch verbreiten sich nicht nur seriöse Nachrichten, sondern auch Fake News in Sekundenschnelle in der Netzwelt. Die kontinuierliche Datenflut erschwert die Unterscheidung zwischen echten Nachrichten und solchen Fake News oder Fake Profilen, z.B. in sozialen Netzwerken. Besonders Kinder und Jugendliche verlieren hier leicht den Überblick. So kann das Internet also nicht nur jede Menge Wissen bereitstellen, sondern auch zur Desorientierung führen. Auch ungeeignete Inhalte, seien es Gewaltvideos oder pornografische Inhalte, lassen sich heutzutage insbesondere über soziale Netzwerke leicht verbreiten – weitgehend anonym. Nicht alle Folgen, die das Internet mit sich bringt, sind also positiv.

Mit dem Internet können sich Computerviren ausbreiten, Hacker treiben ihr Unwesen. Heutzutage gilt: Wer Daten hat, hat Macht. Die Wirtschaftswelt setzt immer mehr auf Daten und Computer, von denen die Unternehmen abhängen. Der Cyber-Angriff mit dem Windows-Schadprogramm „WannaCry“ im Mai 2017 ist ein gutes Beispiel. Über 230 000 Rechner in 150 Ländern wurden von dem Computerwurm infiziert, der Dateien auf dem betroffenen PC verschlüsselt und daraufhin Lösegeld fordert. Große Unternehmen wie FedEx, Renault, Nissan und die Deutsche Bahn waren betroffen. An vielen Bahnhöfen in Deutschland funktionierten die Anzeigen nicht mehr, Krankenhäuser in England mussten Patienten nach Hause schicken. Dieses Beispiel zeigt, wie viel Macht man mittlerweile mit einem einzigen Computerwurm ausüben kann und wie abhängig wir von der Vernetzung von Daten sind. Mit solchen Cyber-Attacken können beispielsweise auch Atomkraftwerke lahmgelegt und so die Stromversorgung ganzer Städte und Länder gekappt werden. Doch die eigentliche Gefahr bei der Sache sind nicht unbedingt die Hacker selbst, sondern oft die Anwender, die sorglos die Sicherheit ihrer Systeme vernachlässigen, indem sie z.B. keine Updates machen oder gutgläubig Links in E-Mails anklicken.

Eine andere Art der Machtausübung mithilfe von Daten ist die Personalisierung im Netz. Bestimmte Algorithmen sorgen dafür, dass ein Nutzer etwa bei Google nur die Ergebnisse angezeigt bekommt, die ihn (vermeintlich) interessieren, das heißt diejenigen, die z.B. zu seinen vorherigen Suchanfragen passen. Die Folge ist, dass das eigene Weltbild nur noch Bestätigung erfährt und kaum noch Widerspruch. Man spricht von einer „Filter Bubble“, in der wir uns bewegen (vgl. Artikel „Das könnte dich interessieren: Wie bestimmt die Filter Bubble unsere Wahrnehmung?“ in diesem Heft). Zudem werden nicht nur Suchergebnisse gefiltert, sondern auch Kaufempfehlungen und Werbung, die uns auf diversen Webseiten oder per Mail angezeigt werden, den Suchanfragen angepasst. Suche ich auf Amazon nach Sommerkleidern, dauert es nicht lange bis die ersten Kaufempfehlungen in meinem Postfach ankommen. Suche ich oft nach Kinderkleidung und Spielzeug, werden mir bei der nächsten Urlaubsbuchung Familienhotels vorgeschlagen. Selbst die Preise für ein und dasselbe Produkt können je nach Kundeninteresse mehrmals am Tag variieren. Es stellt sich die Frage, inwieweit wir durch solche Beeinflussungen noch selbstbestimmt sind oder uns die Versandhäuser und Online-Dienstleister bereits fest im Griff haben. Die einzige Möglichkeit, dieser Macht annähernd zu entkommen, ist die, dass sie uns bewusst ist. Mit dem Trend hin zum Internet der Dinge und Web 3.0, bei dem immer mehr Geräte mit dem Internet verbunden sind, wird diese Macht nicht geringer werden.

Die Verfügbarkeit massenhafter Daten (Big Data) führt also unter anderem zu Desorientierung, Machthierarchien und Kontrollverlust. Somit steht die Datenlust der modernen Gesellschaft der Datenlast und Datenangst gegenüber. Umso wichtiger ist es, den kompetenten Umgang mit dem Medium Internet zu erlernen. Denn wenn man damit umzugehen weiß, bietet das Internet uns weite Möglichkeiten – die wir nutzen sollten. Medien- bzw. Internetkompetenz ist daher essentiell für unsere Gesellschaft. Das bedeutet nicht nur Wissen über das Medium und dessen Nutzung zu erlangen (Geschichte des Internets, Suchstrategien, etc.), sondern auch Suchergebnisse kritisch und ethisch reflektieren zu können (Fake News erkennen, Umgang mit Mediengewalt, etc.).
Noch Anfang der 90er dachten Bill Gates und Ron Sommer (ehemaliger Telekom-Chef) wie viele andere, Internet sei nur ein „Hype“ bzw. eine „Spielerei für Computerfreaks“. Später sagte Bill Gates „Das Internet ist wie eine Welle: Entweder man lernt, auf ihr zu schwimmen, oder man geht unter.” und betonte damit, wie wichtig es in der heutigen Zeit ist, zu lernen mit dem Internet umzugehen, weil es nämlich nicht nur ein Hype ist.

*TCP/IP
Abkürzung für „Transmission Control Protocol“ bzw. „Internet Protocol“. Die beiden Netzwerkprotokolle bilden die Internetprotokollfamilie. Sie sorgen dafür, dass die Datenpakete beim Empfänger ankommen.
Die zentralen Aufgaben sind:
– Logische Adressierung (IP)
– Wegfindung (IP)
– Fehlerbehandlung und
– Flusssteuerung (TCP)
– Anwendungsunterstützung (TCP)
IP ist vergleichbar mit einem Paketlie­ferdienst und TCP mit einer Telefon­lei­­tung (Sender und Empfänger stehen im Gegensatz zu IP in ständigem Kontakt).

*USENET
(ursprünglich Unix User Network) ist neben dem World Wide Web ein weiteres weltweites Netzwerk, das einen eigenen selbstständigen Dienst des Internets darstellt. Das Usenet gab es schon zehn Jahre vor dem WWW. Es wurde erfunden, um Binärdateien und Textnachrichten zu verbreiten und besteht aus vielen Newsgroups, in denen Benutzer Nachrichten lesen und posten können. Die Newsgroups können text- oder dateiorientiert sein. Die drei Nutzungsformen sind ähnlich dem WWW: Mit anderen in Kontakt treten, Dateien und Wissen verbreiten.

*DNS
Abkürzung für „Domain Name System“, ein Verzeichnisdienst, der den Namensraum des Internets verwaltet. Es funktioniert ähnlich wie ein Telefonbuch: Es findet die passende IP-­Adresse zum Namen einer Webseite (Domain).

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