Zwischenräume? Lebensräume!
Schmale Ritzen, enge Spalten – nicht gerade die gemütlichste Vorstellung für dich? Für viele Tiere, wie z. B. Fledermäuse und Eidechsen, sind das aber genau die Orte, wo sie sich am wohlsten fühlen. Ein kleiner Abriss über die Vielfalt der kleinen Lebensräume, die immer seltener werden und die es deshalb zu schützen gilt.
von Dipl.-Biol. Brigitte Heinz
Woran denkst du beim Begriff „Zwischenräume“? Laut Duden handelt es sich um einen „freien Raum besonders zwischen Dingen, der Spielraum zwischen etwas bzw. Lücke in einem eigentlich zusammenhängenden Ganzen sein kann“. Das klingt sehr nüchtern, schaut man sich aber die Wirklichkeit der Zwischenräume an, so erwachen diese zu erstaunlichem Leben in ungeheurer Vielfalt.
Was für ein Potenzial an Möglichkeiten, schon fast ein wenig geheimnisvoll! Freier Raum mit Gestaltungsmöglichkeiten, den man irgendwie füllen kann. Im Leben ist das manchmal eine Herausforderung, im eigenen Wohnraum gelingt das dagegen meistens sehr schnell. Da werden die Zwischenräume oft zu Stauraum für Bücher, Unikram und Unnötiges. Und schon sind es keine Zwischenräume mehr. Aber auch im Außenbereich neigen wir dazu, alle Nischen, Ritzen, Spalten und Lücken zuzustopfen und zu beseitigen. Als hätten sie etwas Bedrohliches an sich.
Tatsächlich ist es aber genau diese Vielzahl an Zwischenräumen, die unsere belebte Umwelt bereichert. Denn jede noch so kleine Unterschlupfmöglichkeit am Haus und im Garten kann von Tieren besiedelt werden: beispielsweise von Wildbienen, Vögeln, Fledermäusen oder Eidechsen. Unser ausgeprägter Ordnungssinn trägt deshalb in großem Maße zum Rückgang der Tierarten bei, die im Siedlungsbereich leben oder auf eine intakte Kulturlandschaft angewiesen sind. Angesichts dieses rapiden Artenschwunds besteht hier dringender Handlungsbedarf.
Mut zur Lücke
Fragt man Kinder oder Erwachsene, wo Fledermäuse leben, dann erhält man meistens die Antwort „in Dachstühlen und Höhlen“. Tatsächlich sind mehrere unserer heimischen Fledermausarten (wie z. B. das Große Mausohr) auf geräumige, ungestörte, dunkle und für sie zugängliche Dachstühle angewiesen. Die Weibchen bilden hier ab Ende April sogenannte Wochenstubenkolonien, in denen sie ihre Jungtiere gebären und großziehen. Viele Fledermausarten sind aber Spaltenbewohner, die ihre Wochenstubenquartiere außen an Gebäuden haben. Die Spalten hier können vielfältig sein: Hohlräume hinter Fassadenverkleidungen und Flachdachblenden, in Rollladenkästen oder am Giebelrand, Fensterläden, Spalträume im Inneren ungenutzter Dachstühle, in Zwischendächern, größeren Lüftungsschächten und Fertigungsfugen großer Hochhäuser. Beispielsweise Zwergfledermäuse, Kleine Bartfledermäuse und Breitflügelfledermäuse nutzen solche schmalen Zwischenräume als Wochenstube. Den Männchen dieser drei beispielhaft genannten Arten genügen meist kleine Spaltenräume außen an Gebäuden wie ein kleiner Mauerriss oder eine Fuge im Fachwerk. Jedoch sind all diese genannten Quartiermöglichkeiten inzwischen Mangelware.
Fledermäuse auf Wohnungssuche
Den Fledermäusen geht es bei der Wohnungssuche ähnlich wie den Studierenden. Nur noch schlimmer. Stelle dir Folgendes vor: Du bist eine Zwergfledermaus auf Wohnungssuche. Du wiegst etwa fünf Gramm und passt mit angelegten Flügeln ohne Probleme in eine Streichholzschachtel. Findest du an deinem Haus irgendwo einen kleinen Zwischenraum, in dem du dich verstecken kannst? Nein? Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Den Hausbesitzer überzeugen, dass er Wohnraum für Fledermäuse schafft oder selbst Hand anlegen und Fledermauskästen montieren, Hohlräume hinter Dachblenden für Fledermäuse zugänglich machen oder kleine Einschlupfmöglichkeiten in Fassadenverkleidungen bohren. Und schon gibt es Zwischenräume, die mit Leben gefüllt werden können! Hier noch ein paar Argumentationshilfen: Fledermäuse vertilgen Unmengen von Mücken, sie machen nichts kaputt, sie machen keinen Lärm, sie sind hygienisch unproblematisch und ihr Kot ist ein ausgezeichneter Blumendünger. Von solchen Untermietern müsste eigentlich jeder Vermieter träumen.
Eidechsen im Labyrinth der Zwischenräume
Auch Eidechsen benötigen Spalten und Zwischenräume. Ein wichtiger Lebensraum sind sogenannte „Trockenmauern“, mörtellose Mauern aus überwiegend unbehauenen Steinen. Damit wurden in den letzten Jahrhunderten steile Hänge terrassiert und stabilisiert, um sie bewirtschaften zu können. Dies erfolgt in Handarbeit nach einer besonderen Technik, die heute kaum noch ein Landschaftsgärtner beherrscht. Der Lebensraum Trockenmauer ist an Vielfalt kaum zu übertreffen.