Erika und Max Mustermann – Mehr als bloße Platzhalter

Wer ist Max Mustermann und wer ist dessen weibliches Pendant Erika Mustermann? — eine Frage, die sich geradezu aufdrängt, wenn es um das Thema „Muster“ geht. Die beiden Namen sind wohl die bekanntesten in Deutschland, die auf Formularen in allen gängigen Ämtern zu finden sind. Dass sich hinter diesen mehr als ein zufällig gewähltes Konstrukt versteckt, verwundert bestimmt nicht nur mich, wie ich bei meiner Recherche überraschenderweise feststellte. Ich möchte beantworten, was hinter den überall auffindbaren Platzhaltern steckt.

von Kate Becher

Was sich in Amerika John Doe, in Norwegen Ola Nordmann und in Großbritannien Tommy Atkins nennt, heißt in Deutschland Erika und Max Mustermann.

Sie sind seit 1983 auf den deutschen Personalausweisen zu finden, da die Bundesregierung diese einführte, um den neuen maschinenlesbaren Personalausweis zu symbolisieren. Erika Mustermann wurde am 12. September 1945 in München mit dem Mädchennamen Erika Gabler geboren. Sie ist 1,76 Meter groß und hat blaue Augen.

Ganz schön viele Details für eine Platzhalterpersönlichkeit, wie ich finde. Das soll jedoch nicht alles gewesen sein: Durch die vielen Jahre, die der Name mittlerweile im Umlauf ist, besitzt die imaginäre Frau nicht nur einen Beruf, sondern auch zahlreiche andere Details über ihr Leben. Sie ist im Bundesministerium des Inneren sowie im Bundeskriminalamt beschäftigt. Auch Soldatin kann sie sich nennen und sie ist durch den Rang einer Oberleutnan- tin sogar dazu befugt, mit Schusswaffen umzugehen. Grund dafür sind die vielen Formulare wie Ausweise und Verträge, beispielsweise in einem Fitnessstudio, in denen der Name standardmäßig verwendet wird.

Die beiden Platzhalter sind schon lange ein nicht wegzudenkender Teil deutscher Dokumente, Formulare und Musterausweise. Sie werden für einen beliebigen realen Mann bzw. eine Frau eingesetzt, stehen aber zunehmend für den deutschen Otto Normalverbraucher – ein weiterer Name, der sich häufig unbewusst in unseren Sprachgebrauch mischt. Andere Namen lassen sich auch in weiteren formelhaften Formulierungen in der deutschen Alltagssprache finden. So gibt es etwa einen „Tante Emma Laden“, es kann „wie bei Hempels unterm Sofa“ aussehen oder man kann die „Gretchenfrage“ stellen. Zwei weitere bekannte Namen im deutschen Formularalltag sind Markus Möglich und Lieschen Müller, die von den oben genannten Beispielen immer weiter verdrängt wurden. Diese sind mittlerweile so unüblich, dass sie vielen Menschen nicht mehr geläufig sind. Auch Hans und Grete wurden früher ähnlich verwendet, da diese die häufigsten Taufnamen waren und so sinnbildlich für eine breite Bevölkerung stehen sollten. Demnach würden Max und Erika Mustermann heute Mia und Noah heißen. Diese waren die beliebtesten Namen von Neugeborenen im Jahr 2020. Über die Zeit hat sich das Aussehen von Erika Mustermann immer wieder geändert – der Name ist jedoch geblieben. Heutzutage ist sie mit 1,60 Meter etwas kleiner und besitzt grüne Augen.

Ob dies aus Gründen von Diversität und Umgehung von Stereotypen wie „Deutsche haben blauen Augen“ geändert wurde, lässt sich nur munkeln. Wohnhaft ist sie je nach Behörde in Berlin oder München. Bei so vielen Details fragt man sich fast, ob Erika glücklich in ihrer Ehe ist, wann sie ihre beste Freundin zuletzt gesehen hat und ob ihr Hamster gestern Bauchschmerzen hatte. Ich scherze nur, aber durch die fiktive Persönlichkeit sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Tatsächlich hat sich die deutsche Hip-Hop-Band „Blumentopf“ bei dem Lied „Manfred Mustermann“ von dem Namen inspirieren lassen. In dem Stück erzählen sie die Lebensgeschichte eines fiktiven Durchschnittsmannes, der die Banalitäten des Alltags erlebt. Erika Mustermann lässt sich im gleichnamigen Roman von Robert Löhr finden. In der Geschichte ist sie Mitglied der Grünen, die sich gegen die Piratenpartei auflehnen. Angeblich gibt es mindestens zwei Personen mit dem Namen Erika Mustermann in Deutschland. Ob sich der Name nicht das ein oder andere Mal nachteilig im Leben bemerkbar macht, bleibt offen.

Galileo beantwortet diese Frage mit dem Jugendlichen Max Mustermann. Nicht selten kommt es vor, dass bei ganz normalen Tätigkeiten, wie dem Abschluss von Versicherungen oder dem Alkoholkauf im Supermarkt, die entsprechende Person ihn nicht ernst nimmt und seine Anliegen als schlechten Scherz versteht. Wenn nach seinem Ausweis gefragt wird, muss er seine Identität häufig durch weitere Dokumente wie seiner Bankkarte oder seinem Führerschein beweisen. Er nimmt seinen Namen jedoch mit Humor und möchte ihn auch nicht durch einen anderen eintauschen.

Max Mustermann ist der Ehemann des weiblichen Pendants seines Namens und ist vor allem auf Kunden-, Kredit- und Debitkarten sehr beliebt. Auf behördlichen Mustern ist Erika vermehrt anzutreffen. Wie sich die beiden Bekannten entwickeln, kann einem kaum entgehen, denn es passiert vor aller Augen in der Öffentlichkeit.

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