CO2-freie Produktion von Wasserstoff
Methanpyrolyse in Flüssigmetall
Abbildung: Der Prozess der Methanspaltung einschließlich Verwertung der erzeugten Produkte
von Prof. Dr.-Ing. Thomas Wetzel1,2, Dr.-Ing. Benjamin Dietrich1,
Dr.-Ing. Leonid Stoppel2, Christoph Hofberger2 und Neele Uhlenbruck2
1 Institut für Thermische Verfahrenstechnik (TVT), KIT
2 Institut für Thermische Energietechnik und Sicherheit (ITES), KIT
Die großtechnische Herstellung von Wasserstoff erfolgt aktuell hauptsächlich durch die sogenannte Dampfreformierung. Hierbei wird der Wasserstoff aus Erdgas und Wasserdampf gewonnen. Dieses Verfahren ist seit Jahrzehnten bekannt, zuverlässig und gut kontrollierbar. Ein großer Nachteil ist jedoch, dass neben dem Wunschprodukt Wasserstoff auch eine merkliche Menge an klimaschädlichem Kohlendioxid entsteht, weshalb in der Forschung an verschiedenen alternativen Verfahren gearbeitet wird, die keine Treibhausgasemissionen verursachen. Eine Möglichkeit bietet in dieser Hinsicht die direkte thermische Zerlegung von Methan in seine Bestandteile Wasserstoff und Kohlenstoff [1, 2, 3, 4]. Der Kohlenstoff wird dabei als Reinstoff in fester Form gewonnen und kann als weiteres Wertprodukt aus dem Prozess separiert werden. Er dient als Einsatzstoff z. B. für Pigmente in Druckfarben, in Leichtbauwerkstoffen, in Polymeren für Reifen und Dichtungen und in den High-Tech-Materialien für die Halbleiter- oder Batterieherstellung. Seit mehreren Jahren wird in enger und intensiver Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Thermische Verfahrenstechnik (TVT) und dem Institut für Thermische Energietechnik und Sicherheit (ITES) an einer speziellen Variante der direkten thermischen Methanspaltung gearbeitet. Hierbei wird das Methan in einer heißen, flüssigen Zinnsäule zerlegt. Die für die Zerlegung notwendige thermische Energie kann u. a. aus regenerativen Energien wie Photovoltaik oder Wind gewonnen werden.
Abbildung: links: Fließbild des Methan-Pyrolyse-Prozesses zur Erzeugung von CO2-freiem Wasserstoff;
rechts: Detailansicht des mit flüssigem Zinn gefüllten Reaktors
Die obige Abbildung zeigt ein Verfahrensfließbild des entwickelten Prozesses und Zeichnungen des im Labormaßstab betriebenen Reaktors. Aus einem Vorratstank wird reines Methan (CH4) in den mit flüssigem Zinn befüllten senkrecht stehenden Reaktor (Abbildung rechts) über eine Düsenanordnung eingeleitet. Die gebildeten Gasblasen steigen im Reaktor auf, erwärmen sich dabei und in ihrem Inneren findet die Pyrolysereaktion statt. Die mittleren Flüssigmetalltemperaturen wurden in bisherigen Versuchen von ca. 750 bis ca. 1200 Grad Celsius variiert. Dabei zeigt sich eine deutliche Zunahme des Anteils an produziertem Wasserstoff mit steigender Temperatur. Gerade bei hohen Temperaturen erweist sich das eingesetzte Zinn jedoch als hochkorrosiv gegenüber den meisten Behältermaterialien. Hier mussten Lösungen durch die Verwendung spezieller Hightech-Materialien gefunden werden. An dieser Stelle erweist sich die seit vielen Jahren am KIT gewachsene Zusammenarbeit zwischen den Materialforscherinnen und -forschern aus dem Institut für Hochleistungsimpuls- und Mikrowellentechnik und dem Institut für Angewandte Materialien sowie dem Karlsruher Flüssigmetalllabor KALLA als einer der Schlüssel für die aktuell weltweit führende Position des KIT bei dieser Technologie. Aber zurück zum eigentlichen Pyrolyseprozess: In den Gasbläschen bildet sich neben dem Wasserstoff (H2) fester Kohlenstoff (C). Beim Aufbrechen der Bläschen am oberen Ende der Flüssigmetallsäule wird der Kohlenstoff freigesetzt und schwimmt aufgrund des Dichteunterschieds gegenüber Zinn letztlich oben auf der Flüssigmetallsäule. Er fällt dabei in Pulverform an und kann aus dem Reaktor an dessen oberem Ende beispielsweise gasgetragen abgeführt werden. Die Verwendung des heißen Flüssigmetalls verhindert die Anlagerung dicker Kohlenstoffschichten an der Reaktorwand, die zum Verblocken des Rohres führen würden, wenn das flüssige Metall nicht vorhanden wäre. Dadurch wird ein kontinuierlicher Betrieb sowie die Herstellung des Kohlenstoffs in einer leicht transportablen und weiter verwertbaren Form ermöglicht. In einem dem Reaktor nachgelagerten Trennapparat wird schließlich der erzeugte Wasserstoff vom nicht umgesetzten Methan und auftretenden Begleitkomponenten zur weiteren Nutzung abgetrennt. Das restliche Gas wird dem Pyrolysereaktor erneut zugeführt.
Experimentelle Voruntersuchungen wurden in zweierlei Hinsicht ausgewertet. Zum einen wurde die Vollständigkeit der Reaktion anhand der Wasserstoffausbeute bei verschiedenen Prozessbedingungen bewertet, zum anderen wurden erste Analysen des Kohlenstoffs und seiner Beschaffenheit durchgeführt. Außerdem wurden thermochemische und thermofluiddynamische Modelle entwickelt und miteinander gekoppelt, um die Vorgänge im Reaktor besser verstehen und wissenschaftlich fundiert beschreiben zu können. Bisherige Forschungsarbeiten wurden u. a. vom Institute for Advanced Sustainability Studies e. V. und der Helmholtz-Gemeinschaft finanziert und haben die grundsätzliche Machbarkeit der direkten kontinuierlichen Spaltung von CH4 mit hohen Wasserstoffausbeuten (etwa 80 %) und die Abtrennung des Kohlenstoffs in Form von Kohlenstoffpulver gezeigt [3,4]. Die Forschungsarbeiten des KIT und des Institute for Advanced Sustainability Studies e. V. zur Methanpyrolyse wurden 2018 mit dem Innovationspreis der Deutschen Gaswirtschaft ausgezeichnet. Seit Dezember 2019 werden in einem gemeinsamen Projekt von KIT und der WintershallDea GmbH die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen für einen künftigen industriellen Einsatz der flüssigmetallbasierten Pyrolyse zur Erzeugung von CO2-freiem Wasserstoff aus Erdgas erarbeitet.
Wie in der Abbildung dargestellt entsteht neben Wasserstoff auch Kohlenstoff als weiteres Wertprodukt. Im Projekt NECOC (creation of NEgative emissions by separating atmospheric CO2 into economically usable Carbon black and O2), finanziert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, wird in Zusammenarbeit mit den Startups INERATEC, einer Ausgründung aus dem KIT, und Climeworks atmosphärisches Kohlendioxid aus der Umgebungsluft herausfiltriert und mittels Wasserstoff in Methan überführt. Dieses wird anschließend wiederum in der mit Zinn gefüllten Blasensäule in seine Bestandteile zerlegt. Hier steht nun die Verwertung des Kohlenstoffs im Fokus. Dazu wird das erzeugte Pulver mittels verschiedener Methoden analysiert und charakterisiert. Auf die Eigenschaften wird gezielt durch die Prozessführung bzw. durch die Änderung geeigneter Prozessparameter Einfluss genommen. Mit dem in NECOC untersuchten Prozess wird folglich eine Option aufgezeigt, wie Kohlendioxid aus Punktquellen, beispielsweise bei der Stahl- oder Zementherstellung, oder der Atmosphäre direkt entnommen und so negative Emissionen geschaffen werden können. Solche Optionen werden – neben der Emissionsvermeidung – weltweit gesucht und untersucht, um die 2015 im Pariser Klimaabkommen formulierten Ziele hinsichtlich der globalen Erderwärmung erreichen zu können.
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PYROLYSE
Die Pyrolyse bezeichnet verschiedene thermo-chemische Umwandlungsprozesse, in denen unter hohen Temperaturen und ohne der Reaktion mit Sauerstoff (keine Verbrennung) organische Verbindungen gespalten werden. Ein bekanntes Beispiel einer Pyrolysereaktion ist die Holzverkohlung bei der Herstellung von Holzkohle.
Projekt NECOC:
Creation of NEgative emissions by separating atmospheric CO2 into economically usable Carbon black and O2
Weitere Infos unter: ttp://www.tvt.kit.edu/21_3547.php
WEITERFÜHRENDE LITERATUR
Direkte thermische Zerlegung von Methan in Wasserstoff und Kohlenstoff:
[1] Kolb, T. et. al.: Verfahrensübersicht zur Erzeugung von Wasserstoff durch Erdgas-Pyrolyse. Chemie Ingenieur Technik, 92(8), 2020, 1023-1032.
[2] Geißler, T. et al.: Chemical Engineering J. 299, 2016, 192–200.
[3] Plevan, M.: Dissertation, KIT, 2017.
[4] Geißler, T.: Dissertation, KIT, 2017.
Dieser Artikel ist im Rahmen einer Artikelreihe zum Thema Wasserstoff-Forschung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entstanden. Hier geht es zu den anderen Beiträgen: